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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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Fäusten.
    Gleich darauf betrachtete er die Angelegenheit von einer anderen Seite. Wenn Johanns Liebschaft, denn dafür hielt er die Unbekannte, noch in Rostock war, blieb die Frage offen, weshalb der Bruder ohne sie aufgebrochen war. Die Sache wurde immer verworrener. Franz wollte schon fragen, ob das Mädchen schwanger sei, selbst auf die Gefahr hin, die Wirtin einweihen zu müssen. Er war so mit seinen Gedanken beschäftigt, dass er gar nicht mitbekam, was sie noch daherplapperte.
    Auf seine Bitte hin wiederholte sie ihre Bemerkung schmallippig: „Es war eine Betschwester.“
    „Was?“
    „Mein Gott, rede ich hindustanisch? Eine vom Kloster, haben Sie es jetzt begriffen!“ Verärgert winkte Mudder Schultzen ab und wendete sich ihrer Arbeit zu.
    Darauf konnte Franz sich überhaupt keinen Reim machen. Hatte Johann sich in eine Nonne verliebt? Rührte daher die Geheimniskrämerei und die Scheu, Kontakt mit der Familie aufzunehmen?
    Wollte das Mädchen sich nicht von seinem Gelübde entbinden lassen? Hatte sie Johann in ein seelisches Chaos gestürzt? Das war möglich, aber nach Franz’ Meinung nicht sehr wahrscheinlich.
    Der Sekretär, dachte er, ich muss den Inhalt des Sekretärs durcharbeiten. Jedes Blatt Papier könnte wichtig sein.
    In der Wohnung rückte er sich den Stuhl zurecht. Er öffnete die Schreibplatte so vorsichtig wie ein Grabräuber einen verstaubten Sarkophag, zog seine Taschenuhr hervor und legte sie neben sich, damit er die Zeit nicht vergesse.
    Gestern hatte das Rezept seine Aufmerksamkeit von den anderen Aufzeichnungen abgelenkt. Aber noch vor dem Einschlafen war er zu der Einsicht gelangt, jedes einzelne Schriftstück eingehend studieren zu müssen. Er nahm ein Kästchen heraus, in das er bisher nur hineingeschaut hatte. Beim Herumkramen fiel ihm ein zusammengefalteter Brief ins Auge. Er glättete den Bogen.
    „Volltreffer!“, rief er erfreut und vertiefte sich aufgeregt in die Lektüre eines Liebesbriefes.
     
    Liebster Johann,
     
    wie sehr genieße ich die Stunden der Zweisamkeit mit Dir und wie quälend empfinde ich jedes Mal den Verlust Deiner Gesellschaft. Ich träume davon, vogelgleich, auf den Schwingen unserer Liebe, in ein Land zu fliegen, in dem niemand Anstoß an unseren Gefühlen nimmt. Jedoch auf Erden wird es ein solches Land nicht geben. Und doch kann ich nicht von Dir lassen. Nicht von Deinem Körper und nicht von Deiner Seele.
     
    F.
    24.V. A.D.1816
     
    Franz kannte das Pathos, dem Verfasser von Liebesbriefen reihenweise anheimfallen. Doch es war seine Sache nicht, über die Rührseligkeit der Zeilen zu richten. Nur allein der Fakt, dass der Brief existierte, war für ihn außerordentlich wichtig. Prüfend schnüffelte er, ob noch ein Hauch Parfüm daran haften geblieben war, aber ihm stiegen nur die Gerüche von Tinte und Siegellack in die Nase. Er untersuchte das Blatt genau. Das zerbrochene Wachs zierte leider kein Siegel, das über die Identität der Briefschreiberin hätte Aufschluss geben können. Auf der Rückseite des Bogens fand sich kein Absender, wohl aber Johanns Name und Adresse. Franz stand auf und hielt das Blatt am Fenster ins Licht, suchte dabei nach Wasserzeichen oder Prägungen, konnte jedoch nichts dergleichen entdecken. Das Papier war von keiner besonderen Güte, eher billig. Franz kehrte enttäuscht zum Sekretär zurück.
    Wer mochte „F.“ sein, fragte er sich. Die Nonne?
    Die Botschaft war eindeutig. Die Briefschreiberin empfand tiefe Liebe zu Johann, aber die Gesellschaft nahm Anstoß an der Beziehung. Das schien einleuchtend, eine Nonne war schließlich mit dem Herrn verheiratet und brach ihr Gelübde, wenn sie sich mit einem Manne einließ. Dass sie es bereits getan hatte, verriet ihr Hinweis auf Johanns Körper.
    Zunächst stellte sich Franz die Frage, wie der Brief seinen Bruder erreicht habe, ob die pathetischen Zeilen von einem Boten oder der Absenderin überbracht worden seien. Hatte sie das Couvert einfach unter Johanns Tür hindurchgeschoben? Aber dabei hätte sie jederzeit von Mudder Schultzen oder anderen Hausbewohnern überrascht werden können. Franz verwarf den Gedanken, die Nonne hatte die Straße gewiss nicht aufgesucht, um Liebesbriefe an Johann zu überstellen. Wie sollte sie auch, gehüllt in ihr eindeutiges Gewand?
    Franz sprang vom Stuhl auf und besah sich die Eingangstür zu Johanns Wohnung. Er erinnerte sich der Mühe, die er mit dem Ding gehabt hatte, um es überhaupt aus dem Rahmen zu zwingen. Der Spalt unter der Tür

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