Weisser Oleander
Science-fiction-Szene füllte. »Die Frauen behandeln einen wie eine ansteckende Krankheit. Und wenn sie dir in einem schwachen Moment doch erlauben, sie anzufassen, dann lassen sie dich garantiert dafür bezahlen.« Sein Mund schloss sich, öffnete sich wieder, um noch mehr zu sagen, schloss sich dann aber wieder, ohne ein Wort herauszubringen. Er hatte schon zu viel gesagt. Seine Mundwinkel zogen sich nach unten. »Jemand wie du – du würdest mir nicht erlauben, dich zu berühren, oder?«
Wer hatte ihm bloß eingeredet, dass er hässlich war? Eine schlechte Haut konnte jeder bekommen. »Ich lasse mich von niemandem berühren«, sagte ich schließlich.
Ich malte das Apothekengläschen mit Butabarbitol Sodium auf den Flickenteppich neben ihrem Bett; die winzigen Pillen, die herausfielen. Helles Rosa auf dunklem Teppich.
»Warum nicht?«
Warum nicht? Weil ich von Männern die Nase voll hatte. Männern, die in Türrahmen hingen, sich zu dicht an mich drängten; von ihrem Geruch nach Bier oder fünfzehn Jahre altem Whiskey. Männern, die einen nicht in die Notaufnahme begleiteten, Männern, die am Weihnachtsabend weggingen. Männern, die die Sicherheitstüren hinter sich zuschlugen, die einen dazu brachten, sie zu lieben, und es sich dann anders überlegten. Jungenwälder, zottige Sträucher voller Augen, die einem folgten, einem an die Brust grabschten, mit Geldscheinen winkten, während ihre Augen einen bereits umlegten und sich nahmen, was sie für ihr Eigentum hielten.
Weil ich noch immer eine Frau im roten Bademantel über die Straße kriechen sah. Eine Frau auf dem Dach sah, stumm und seltsam. Frauen mit Tabletten, mit Messern; Frauen, die sich die Haare färbten. Frauen, die Liebesgift auf Türklinken strichen, die viel zu reichlich kochten, die aus kurzer Distanz in das Zimmer eines Kindes schossen. Es war ein Theaterstück, und ich wusste, wie es ausging; ich wollte für keine der Rollen vorsprechen. Es war kein Spiel, kein beiläufiger Schauder. Es war russisches Roulette mit drei Kugeln.
Ich malte einen Spiegel auf die Wand gegenüber von Claires Kommode, wo es keinen Spiegel gab, und in die rotgetönte Dunkelheit mein eigenes sprachloses Spiegelbild, mit langen, blassen Haaren, in dem karmesinroten Kleid, das zu tragen ich nie eine Gelegenheit bekommen hatte. Das Ich, das mit ihr gestorben war. Ich malte ein karmesinrotes Band um meinen Hals. Es sah aus, als sei meine Kehle aufgeschlitzt.
»Bist du lesbisch?«, fragte Paul Trout mich.
Ich zuckte mit den Schultern. Vielleicht wäre das ja besser. Ich musste daran denken, wie ich mich gefühlt hatte, als Olivia mit mir tanzte, als Claire mich auf den Mund küsste. Ich wusste es nicht. Menschen wollten bloß geliebt werden. Das war das Problem mit Worten, sie waren deutlich und eng begrenzt – Stuhl, Auge, Stein –, aber wenn man über seine Gefühle redete, waren sie zu unbeweglich; sie waren das eine, aber nicht das andere, sie konnten nicht alle Bedeutungen umfassen. Wenn man etwas zu erklären versuchte, ließen sie immer etwas außen vor. Ich dachte an die Liebhaber meiner Mutter, an Jeremy, Jesus und Mark, schmalhüftige junge Männer mit klaren Augen und Stimmen wie Satin auf der nackten Brust. Ich dachte daran, wie schön Claire gewesen war, wenn sie in ihrem Wohnzimmer Ballettübungen machte, Jeté, Pas de bourée; wie ich sie geliebt hatte. Ich sah ihn an. »Spielt es eine Rolle?«
»Spielt für dich irgendwas eine Rolle?«
»Das Überleben«, sagte ich, doch selbst das klang jetzt unwahr. »Nehme ich an.«
»Das ist nicht gerade viel.«
Ich malte einen Schmetterling in Claires Zimmer. Einen Schwalbenschwanz. Noch einen, einen Kohlweißling. »Weiter bin ich noch nicht gekommen.«
Wir gingen zusammen in der Grünanlage spazieren, nachdem sie ihm seine Privilegien wiedergegeben hatten. Die Mädchen nannten ihn »meinen Freund«, doch das war wieder nur ein Wort; es fing die Wahrheit nicht ganz ein. Paul Trout war der einzige Mensch, den ich dort kennen lernte, mit dem ich sprechen konnte. Er wollte mich später draußen wiedertreffen, fragte nach einer Adresse, einer Telefonnummer, irgendeiner Stelle, über die er mich erreichen könne, doch ich wusste nicht, wo ich landen würde, und meiner Mutter vertraute ich nicht, dass sie irgendetwas weiterschicken würde. Ich hatte ohnehin beschlossen, ihr meine nächste Adresse nicht zu geben. Ich wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben. Er gab mir die Adresse eines Comic-Buchladens in
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