Weisser Oleander
Beifahrersitz von Starrs Ford Torino, während Carolee sich auf dem Rücksitz lümmelte und das glitzernde Fußkettchen betrachtete, das sie von ihrem Freund Derrick geschenkt bekommen hatte. Starr bretterte viel zu schnell die Straße entlang, rauchte eine Benson & Hedges nach der anderen und hörte die Christliche Welle im Autoradio. Sie erzählte von der Zeit, als sie noch Alkoholikerin war, kokste und als Oben-ohne-Bedienung in einem Club namens Trop arbeitete.
Sie war nicht schön wie meine Mutter, doch man musste sie einfach anstarren. Ich hatte noch nie zuvor jemanden mit so einer Figur gesehen, höchstens die Frauen auf den letzten Seiten von L. A. Weekly, die lüstern auf einer Telefonschnur kauten. Ihre Energie war einfach überwältigend. Sie redete, lachte, rauchte und dozierte in einem fort. Ich fragte mich, wie sie erst auf Kokain war.
»Ich kann es kaum abwarten, bis du Reverend Thomas kennen lernst. Hast du Christus schon als deinen Heiland angenommen?«
Ich wollte ihr eigentlich erwidern, dass wir unsere Götter an Bäumen aufhängten, besann mich dann aber eines Besseren.
»Das wirst du noch! Gott, wenn du diesen Mann erstmal gehört hast, wirst du in null Komma nichts errettet!«
Carolee zündete sich eine Marlboro an und kurbelte das hintere Fenster herunter. »Dieser verlogene Arsch. Du kannst doch die ganze Scheiße nicht wirklich glauben!«
»Wer an mich glaubt, der wird leben, selbst wenn er stirbt, und wer lebt und an mich glaubt, der wird niemals sterben – vergiss das bloß nicht, Missy«, sagte Starr. Sie nannte uns nie bei unserem richtigen Namen, selbst ihre eigenen Kinder nicht, sondern redete uns nur mit »Mister« und »Missy« an.
Wir fuhren zu Clothestime, einem Laden im nächsten Ort, Sunland, denn Starr wollte mir ein paar Sachen für mein neues Leben besorgen. Ich war noch nie in einem Geschäft wie diesem gewesen. Meine Mutter und ich hatten unsere Kleidung immer auf dem Boardwalk in Venice gekauft. Bei Clothestime sprangen uns die Farben von allen Seiten an: Magentarot!, schrie es unter den flackernden Leuchtstoffröhren. Türkis! Neongrün! Starr belud mir die Arme mit Kleidungsstücken, die ich anprobieren sollte, und trieb mich vor sich her in eine Umkleidekabine, damit wir dort unser Schwätzchen fortsetzen konnten.
In der Kabine schlängelte sie sich in ein winziges gestreiftes Minikleid, zerrte den Stoff über die Rippen hinunter und drehte sich vor dem Spiegel seitwärts, um sich im Profil zu betrachten. Über ihrem Busen und Hintern dehnten sich die Streifen wie Op-art. Ich bemühte mich, sie nicht so anzustarren, doch bei diesem Anblick fiel es mir schwer. Was mochte Reverend Thomas wohl denken, wenn er sie in einem solchen Kleid sah?
Sie runzelte die Stirn, zog sich das Kleid über den Kopf und hängte es wieder auf den Bügel zurück. Der Stoff war immer noch von ihren Formen ausgebeult. Ihr Körper in der kleinen Umkleidekabine war kaum zu ertragen. Ich konnte sie nur im Spiegel betrachten: Ihre Brüste quollen aus dem Bügel- BH hervor, dazwischen versteckte sich das Kreuz wie eine Schlange zwischen Felsen.
»›Die Sünde ist ein Virus‹, sagt Reverend Thomas immer. Sie infiziert das ganze Land wie Tripper«, erzählte sie mir. »Jetzt haben sie so ’n neuen Tripper entdeckt, den man gar nicht mehr los wird. Genauso ist es auch mit der Sünde. Wir finden immer alle möglichen Entschuldigungen. Wie zum Beispiel, dass es gar keinen Unterschied macht, ob ich mir Koks in die Nase schaufle oder nicht. Was soll falsch dran sein, wenn man sich die ganze Zeit gut fühlen will? Wem tut das schon weh?«
Sie riss die Augen weit auf, und ich konnte den Kleber auf ihren falschen Wimpern sehen. »Es tut uns weh, und es tut Jesus weh. Weil es falsch ist.« Das sagte sie sanft und geduldig wie eine Kindergärtnerin. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es wohl war, in einem Stripclub zu arbeiten. Nackt einen Raum voller Männer zu betreten.
Sie probierte ein rosarotes Stretchkleid an und rollte es sich über die Hüften hinunter. »Es ist ein Virus, der dich von innen auffrisst, du steckst auch alle um dich herum damit an. Oh, warte nur, bis du erst Reverend Thomas hörst!«
Sie runzelte die Stirn, als sie das Kleid im Spiegel betrachtete. Es saß am Rücken so knapp, dass es ihr zwischen den Beinen hochrutschte. »Das würde dir vielleicht besser stehen.«
Sie zog es aus und gab es mir. Es roch nach ihrem schweren Parfum. Obsession. Während ich meine Sachen
Weitere Kostenlose Bücher