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Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North

Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North

Titel: Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Theroux
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eingebrochen sei, mit einer Gruppe von Männern, die er bei der alten Feuerwache angeheuert hatte. Er hatte ihnen die Hälfte im Voraus zahlen müssen, damit sie sich darauf einließen, und als er sich mit ihnen traf, waren sie betrunken. Er hatte ein schlechtes Gefühl
bei der Sache, zog sie aber trotzdem durch. Die Männer waren jedoch außer Kontrolle, und die Situation entglitt ihm, kaum dass sie in eurem Haus waren. Den Rest kennst du. Ich sagte ihm, dass es deine Vergebung sei, die er brauche, ich für meinen Teil aber könne sehen, dass seine Reue aufrichtig ist, und es stehe mir nicht zu, über ihn zu urteilen. Er schien mit der Antwort ganz glücklich zu sein und ging kurz darauf. Von nun an ließ es aber mir keine Ruhe mehr. Irgendetwas stimmte da nicht. Ich hatte Rudi früher gut gekannt, und das klang nicht nach etwas, was er tun würde. Wir hatten uns alle den Gegebenheiten anpassen müssen – aber Rudi, ein Einbrecher und Dieb? Es begann mich so sehr zu beschäftigen, dass ich ihm ein paar meiner Männer nachschickte. Sie sagten, er lebe bei einem entfernten Verwandten in einer Straße mit baufälligen Häusern, die bald in ihren eigenen Fundamenten versinken würden, und verbringe den Großteil seiner Zeit im Bett in diesem wackligen Zimmer, in dem keine Wand mehr gerade steht, und huste in einen Eimer. Schließlich ging ich also zu ihm. Ich sagte: ›Rudi, etwas an der Geschichte, die du mir erzählt hast, lässt mir keine Ruhe mehr. Und glaub jetzt bloß nicht, ich könne dir nicht vergeben, denn das tue ich – und irgendwie sollte ich dir sogar dankbar sein, denn wenn sie mich damals nicht aus der Stadt gejagt hätten, hätte ich es
hier vielleicht nie so weit gebracht.‹ Und ich dachte, vielleicht wäre ich es dann gewesen, der in diesem windschiefen Zimmer liegen und sich auf den Tod vorbereiten würde. ›Was mich aber beschäftigt, ist Folgendes: Ich glaube einfach nicht, dass du, ganz von dir aus, den Plan gefasst hast, James Hatfield auszurauben.‹ Und er antwortete mit seiner rasselnden Stimme: ›Habe ich auch nicht.‹ ›Wenn das so ist, weshalb hast du’s dann getan?‹, fragte ich. ›Jemand gab mir den Auftrag‹, sagte er. ›Und wer war das?‹, fragte ich. ›James Hatfield‹, sagte er. Für einen Moment dachte ich, ich hätte mich verhört, oder die Schwindsucht hätte nun sein Gehirn erreicht. Aber dann war mir, als ob mir ein großes Licht aufging. Wie drücken es die Anwälte aus? Cui bono? Die ganze Sache war abgekartet. Deinem Vater liefen die Freunde davon. Die andere Wange hinzuhalten, klang nach einer großen Geste, war aber nicht sehr praktikabel. Und er wusste das. Wie aber konnte er je von seinem hohen Ross wieder absteigen und verkünden, dass er seine Meinung geändert hatte? Jemand so Unbeugsames wie er. Ein weiserer Mann hätte es verstanden, mit der Zeit zu gehen. Er hätte die Hände in die Luft gestreckt und gesagt: ›Ich habe mich geirrt. Mike Callards Idee ist die richtige. Wir müssen uns bewaffnen und verteidigen, was wir hier haben.‹ Aber das Problem mit deinem alten Herrn
war, dass er keine Bescheidenheit kannte. Er musste einfach Recht behalten, selbst wenn er sich irrte. Und was es so bitter für ihn machte, war, dass ausgerechnet mein Vater, ein Neuling in der Stadt, den er einst bei sich aufgenommen hatte, all die wankelmütigen Seelen auf seine Seite zog. Er muss furchtbar mit sich gerungen haben, muss gesehen haben, in was für einer Sackgasse er war. Rudi sagte, dein Vater sei zu ihm gekommen und habe ihm seinen Plan erklärt. Er sagte ihm, er brauche eine Provokation – Rudi sollte mit einer Gruppe Männer in euer Haus einbrechen und ein wenig Unordnung anrichten. Niemand sollte dabei verletzt werden. Sie sollten lediglich ein paar Sachen kaputtschlagen, so dass er uns dafür die Schuld geben und aus der Stadt jagen konnte – und einen Vorwand hätte, seine Meinung zu ändern, was das Tragen von Waffen betraf. Ich kann fast die Stimme deines Vaters hören: ›Selbst Simon Petrus erhob sein Schwert, unseren Herrn zu verteidigen!‹ Jedenfalls, Rudi wollte keinen Lohn. Er tat es aus Respekt vor deinem alten Herrn. Dein Vater hatte ihm ein wenig Geld gegeben, um die Männer zu bezahlen, er selbst aber nahm nichts davon – es war ihm sehr wichtig, dass ich das wusste. Es hätte nie so weit kommen dürfen. Die Sache lief aus dem Ruder. Das ist das Tragische daran. Denn es endete mit dem Selbstmord deines Vaters. Rudi sagte, er hätte nie

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