Weltenende (German Edition)
der Hölle“, erklärte er weiter.
„Also werden sie von den Sieben geschickt?“
„Nein, das nicht. Sie kommen nur mit ihnen, wie Schwiegermütter, wenn du heiratest.“
„Also kann man sie nicht kontrollieren? “
„Es ist sicher sehr schwierig.“
Carl blickte gedankenverloren auf Jonas, dessen Gesicht hell war, beinahe leuchtend weiß, bis auf die Augen, unter denen sich dunkle Ringe abzeichneten.
„Ich will nicht, dass du stirbst“, sagt e Carl leise. Jonas hielt inne, griff sich in einer nachdenklichen Geste an den Kopf, setzte zu einer Antwort an, die er aber nicht aussprach. Er wollte gar nicht darauf eingehen und forderte Carl auf ihm mit dem Boot zu helfen.
Das Meer war ruhig . Nur kleine Wellen plätscherten leise gegen den Kiesstrand. Der Schnee war getaut, jedenfalls hatte Jonas bisher keinen mehr gesehen.
Jonas nahm die Ruder in die Hand un d Carl drückte sie vom Ufer weg, anschließend sprang er hinein. „Setz dich nach hinten! Ich rundere“, befahl Carl und nahm Jonas die Ruder aus der Hand.
„Ich kann rudern.“
„Du wirst aber nicht rudern, sondern dich ausruhen. – Wie weit ist es?“
„Nur darüber zum Festland. Dort ist ein Anleger und wir werden dort Pferde bekommen, hoffe ich jedenfalls.“
„Wie weit ist es bis zum Turm?“
„Das ist ein Stück, ein ..., ich weiß nicht genau“, entgegnete Jonas. Auf jeden Fall war es weiter, als ihm lieb war.
Carl legte sich in die Riemen. Jonas schaute sein Bein an; so gefährlich sa h es gar nicht aus. Wenn man von der leicht grünlichen Farbe absah, die an verschimmelten Käse erinnerte, war es nicht mehr als ein einfacher Kratzer. Sein blauer Rücken sah sicherlich weit schlimmer aus.
„Hast du je über den To d nachgedacht?“, fragte Carl.
„ Das ist kein Thema über das ich mich gerade jetzt unterhalten möchte.“
„Viellei cht sollten wir einfach zu Dr. Haubenthal fahren. Du würdest ihm sagen, dass ...“ Carl hielt inne und verzog den Mund. Jonas beendete den Satz: „... ich von einem Höllenhund gekratzt wurde und jetzt in die Hölle gezogen werde?!“
Carl rutschte das Ruder aus dem Wasser und es spritzte in Jonas Richtung. „ Sei vorsichtig! Mach mich nicht nass!“
Carl wechselte das Thema. Er war noch immer mit der Situation überfordert , doch ruhig sein wollte er nicht. „Und hierher kommen die Toten?“
„Manche, andere kommen in die Hölle, andere kommen in andere Welten wie diese. Ich verstehe es auch nicht, niemand versteht es wirklich, denke ich. – Du musst dich weiter links halten.“
Carl drehte den Kopf, um sich zu orientieren. „Wo willst du denn hin?“
„Siehst du den einzelnen Baum mit der Gruppe daneben? Ich glaube, dort war es. Wir waren im Dunklen hier und bei Tageslicht sieht alles anders aus.“
Carl war ein hundsmiserabler Ruderer. Sie brauchten lange - eine kleine Ewigkeit für Jonas -, bis sie den Steg erreichten, aber Carl weigerte sich, sich ablösen zu lassen. Jonas laschte das Boot an die Klampe und stieg schwerfällig auf den Steg. Er hatte nicht aufs Land geachtet und die zwei Männer die dort zwischen der ersten Reihe Kiefern standen, hatten sie längst entdeckt, als er sie bemerkte. Der eine, ein Hüne von Kerl, fuchtelte mit seinen Händen in der Luft, zeigte immer wieder nach Norden, der andere war kleiner, von rundlicher Gestalt und mit abgetragenen und dreckigen Kleidern, versuchte so zu wirken, als würde er sie nicht beachten, doch Jonas entgingen die verstohlenen Blicke nicht.
„Wir gehen hin“, sagte er.
Carl zuckte mit den Schultern. „Warum auch nich t?“ Er trottete hinter ihm her. Er ahnte nicht, in welche Gefahr sie sich womöglich brachten.
Das Gespräch der Männer verstummte , noch ehe Jonas oder Carl ein Wort hätte verstehen können. „Sind sie von hier?“, fragte Jonas.
Der Hüne nickte.
„Wir brauchen zwei Pferde“, sagte Jonas. Lennart hatte sich einfach selbst bedient. Vielleicht hätte er das auch tun sollen.
„Du bist …“ Der Kleinere reckte das Kinn in die Höhe und schwieg.
„Wir werden sie zurückbringen“, sagte Jonas bestimmt.
„Du solltest nicht hier sein , nicht du! Du wärst ein gefundenes Fressen, Lichtjunge!“
„ Wir brauchen Pferde“, wiederholte Jonas.
D ie Männer tauschten einen kurzen Blick, einer voller Verschlagenheit, wie Jonas fand.
„ Darf ich fragen, wo ihr hinwollt, junger Herr?“
„ Nach ...“ Jonas zögerte. „... Norden!“, log er. Der Hüne starrte so unverhohlen, dass Jonas der
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