Wen die Sehnsucht besiegt
Händen und begann sich abzutrocknen. »Vermutlich ist’s am besten, wenn du verschwindest. «
»Verzeih meine Eitelkeit, aber glaubst du, das würde niemand bemerken. Und warum soll ich verschwinden? Dein Vater wird dir zürnen. Ich bin nur die Kusine. «
»Eine mittellose Kusine. Außerdem hast du das alles heraufbeschworen, mit deinem Gefasel von der heimlichen Hochzeit. «
Trotzig reckte Frances das Kinn vor, und Axia wußte, wie sinnlos es wäre, sie an ihre eigenen Fehler zu erinnern. Was sie selbst verschuldet hatte, pflegte sie schnell zu vergessen. »Wann hat er den Brief abgeschickt? « fragte Axia.
»Heute morgen, nehme ich an. Er war die ganze Nacht weg. Übrigens… « Frances warf einen Blick auf Axias unbenutztes Bett. »Wo hast du die Nacht verbracht? «
»Bei Tode. Die Beine taten ihm weh. Wenn Vaters Brief eintrifft, darfst du nicht mehr hier sein. Er wird… «
»Ja, was wird er tun? « wisperte Frances verängstigt.
»Er wird dich rauswerfen und mich in Ketten legen. O Frances, warum denkst du niemals nach, bevor du Ärger machst? «
»Findest du’s denn so schlimm, daß ich einen Earl heiraten will? Du kannst dir nicht vorstellen, wie einem zumute ist, wenn man sich niemals sicher fühlt. Jeden Tag schwebt eine Axt über meinem Kopf. Ich weiß nicht, was mit mir geschehen wird… «
»Weiß ich denn, welches Schicksal mich erwartet? « schrie Axia, dann zwang sie sich zur Ruhe. Über einer Stuhllehne hing ein frischgewaschenes Hemd aus weißem Leinen, und sie schlüpfte hinein. Nachdem sie Frances’ Neuigkeiten gehört hatte, sah es nicht so aus, als würde sie Schlaf finden. Aber sie wollte sich’s wenigstens bequem machen. »Laß mich nachdenken. Ich bin so müde… «
Warum hatte sie Frances nicht gewarnt und nicht überlegt, was der Vater tun würde, wenn er erfuhr, seine Tochter beabsichtige nicht den erwählten Bräutigam, sondern einen anderen Mann zu heiraten? Jamies und Frances’ Heirat wäre nur die Verbindung zwischen einer armen Frau aus dem Mittelstand und einem armen Aristokraten. Das würde niemanden etwas angehen, nur die beiden. Aber der Rollentausch und Perkin Maidenhalls persönliches Interesse verschärften die Lage.
Nun bereute Axia ihren Leichtsinn. Warum hatte sie nicht an die möglichen Konsequenzen ihrer Idee gedacht, mit Frances die Rollen zu tauschen? Kalte Angst stieg in ihr auf. Sie hatte ihren Vater zwar nie gesehen, aber sie korrespondierte mit ihm, seit sie schreiben konnte. Trotz seiner ständigen Abwesenheit regierte er ihr Leben, und sie war stets bemüht gewesen, ihm Freude zu bereiten. Wenn sie sein Wohlgefallen errang, würde er sie vielleicht einmal besuchen und sagen: »Gut gemacht! «
Kein einziges Mal hatte sie erwogen, den Schwiegersohn seiner Wahl nicht zu heiraten. Wenn sie sich weigerte, was würde der Vater ihr antun?
Trotz ihres abgeschiedenen Lebens war sie nicht naiv. Seinen Reichtum hatte er nicht durch Güte und Freundlichkeit errungen. Er kannte keine Skrupel, und wann immer ihm jemand in die Quere kam, wußte er genau, wie er sich durchsetzen mußte. Die Mutter hatte er geheiratet, um ihrem Vater ein Stück Land abzuluchsen. Ganz egal, was er sich wünschte - letzten Endes erreichte er immer sein Ziel. Sobald er den Brief James Montgomerys erhielt, der ihn um die Hand seiner Tochter Frances bat, würde Perkin Maidenhall erraten, daß Axia und ihre Kusine die Rollen getauscht hatten. Und wie er die Leute behandelte, die ihn hintergingen, war allgemein bekannt.
Würde er beschließen, Jamie zu ruinieren? Würde er Frances hinauswerfen, ohne ihr einen Penny zu geben? Oder würde er sie mit dem widerlichsten Mann verheiraten, den er auftreiben konnte? Und wie würde er seine ungehorsame Tochter bestrafen?
»Es ist schrecklich, nicht wahr? « wisperte Frances und beoachtete angstvoll Axias Gesicht.
»Ja, ich fürchte, wir sind zu weit gegangen«, antwortete Axia, und das Wörtchen »wir« erleichterte Frances dermaßen, daß sie beinahe in Tränen ausgebrochen wäre. »Was sollen wir tun? «
»Wenn mein Vater mit seiner Armee ankommt, darfst du nicht mehr hier sein. Und Jamie muß verschwinden, bevor das Antwortschreiben eintrifft. Wenn wir ihm weismachen, er schwebe in Gefahr und müsse fliehen… «
»Ohne dich wird er nicht gehen«, entgegnete Frances grimmig. »Sicher will er dich von deinen Verehrern loseisen, nachdem du dieses alberne Spektakel aufgeführt hast, und dich dann für den Rest deines Lebens anbeten. «
Bei
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