Wenn das Dunkle erwacht (German Edition)
war ihr klar, dass sie es unbedingt hören musste. Sie beobachtete ihn, wie er völlig verkrampft dastand.
Er drehte sich etwas zur Seite, lehnte sich mit der Schulter an die Tür, starrte durch die Fensterwand am anderen Ende des Zimmers in die mondhelle Nacht. „Als McConnell zu ihr kam, versuchte sie auf dem Weg des geringsten Widerstands aus der Sache herauszukommen. Sie war nicht stark genug, um etwas anderes zu tun.“
„Was ist passiert?“
Quinn rieb sich mit der Hand übers Gesicht. „Sie hatte nur ein paar Tropfen Pantherblut in den Adern – nicht genug, um ihre Gestalt verändern zu können. Aber sie hatte ihr Leben lang schreckliche Angst vor dem Kollektiv. Ihre Familie wurde umgebracht, als sie noch ein kleines Mädchen war, und seitdem lebte sie in Furcht und Schrecken. Eines Tages, als sie in Denver einkaufen war, trat Seth McConnell auf sie zu, und ich nehme an, er machte ihr ein Angebot, das sie nicht ablehnen konnte. Wenn sie dem Kollektiv helfen würde, mich zu fassen, dann würde sie selbst für den Rest ihres Lebens in Sicherheit sein. Das hat er ihr versprochen, und sie … sie war wohl verzweifelt genug, ihm zu glauben.“
„Weil sie so viel Angst vor dem Kollektiv hatte?“ Wie gerne hätte sie ihn jetzt in die Arme geschlossen, ihre Lippen an seine Schläfe gedrückt, ihn getröstet, sich wie eine wärmende, heilende Wolke aus Zärtlichkeit um ihn gelegt. Aber sie tat nichts von alledem, denn er würde sich von ihr abwenden, wenn sie es versuchte.
„Janelle hatte vor allem und jedem Angst.“ Sein Blick schweifte ins Leere, mit den Gedanken war er ganz weit weg, nicht länger hier bei ihr in diesem Zimmer, sondern irgendwo in seiner Vergangenheit, die ihn so tief prägte, dass sie zum Gefängnis geworden war. „Anfangs war es so, als könnte ich ihr Retter und Beschützer sein, und das war es wahrscheinlich, was mich zu ihr hinzog. Kierland würde dir erzählen, dass mein Vater meine Mutter nicht beschützen konnte, als die Soldaten des Kollektivs sie beide umgebracht haben. Und ich deshalb diesen Beschützerinstinkt entwickelt habe. Vielleicht hat er sogar recht, wer weiß. Aber ich glaube, am Ende habe selbst ich ihr Angst eingejagt. In den letzten Wochen, bevor McConnell auftauchte, haben wir uns ständig gestritten. Sie behauptete, den körperlichen Aspekt unserer Beziehung kaum noch ertragen zu können. Sie meinte, ich wäre zu fordernd, zu besitzergreifend. Bei meiner Gattung … Unsere physischen Bedürfnisse sind oft sehr … exzessiv. Trotzdem, ich habe alles versucht, so sanft wie möglich zu sein.“ Seine Stimme klang schmerzverzerrt. „Vermutlich war ich nicht sanft genug. Als Seth mit seinem Angebot kam, hat sie wohl längst nach einem Ausweg gesucht.“
„Sie hat dich verraten?“ Die Verzweiflung in seinen Worten war für Saige geradezu greifbar. All dies musste seit vielen Jahren an seiner Seele zerren.
„Sie war der Köder, und ich ging in die Falle.“ Er gab einen verbitterten Laut von sich. „Und natürlich war an McConnells Versprechen überhaupt nichts dran. Als Kierland und die anderen herausfanden, wo wir gefangen gehalten wurden, war sie längst tot. Nach unzähligen Vergewaltigungen umgebracht von den Soldaten, die für meine sogenannte ‚Vernehmung‘ zuständig waren. Die glaubten anscheinend, sich nicht um McConnells Versprechungen scheren zu müssen. Für die war sie nur ein Tier, nicht wert, am Leben gelassen zu werden. Später habe ich gehört, er hätte einen Tobsuchtsanfall bekommen, als er erfuhr, was sie mit ihr gemacht haben. Aber, verdammt, Janelle hätte ihm von vornherein niemals trauen dürfen.“
„Aber eigentlich gibst du dir selbst die Schuld, viel mehr als ihr, nicht wahr?“ Saige sah ihn jetzt mit ganz anderen Augen, begriff endlich, was ihn so sehr belastete. Und jetzt konnte sie sich auch vorstellen, welche Anstrengung es ihn kosten musste, sein Leben weiterzuleben.
„Ich habe zu viel von ihr erwartet“, murmelte er und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Sie nicht richtig eingeschätzt. Wenn ich ein bisschen klarer gesehen hätte, vielleicht hätte ich uns beiden dann große Qualen ersparen können.“
„Du hast den Fehler gemacht, der falschen Person zu vertrauen“, wisperte sie und wagte endlich, einen Schritt auf ihn zuzugehen … und dann noch einen. „Aber soll dich das dein Leben lang belasten, Quinn?“
Er sah ihr lange in die von Tränen glänzenden Augen, dann umfasste er wieder die Klinke. „Manchmal
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