Wenn das Herz im Kopf schlägt
Zeug kaufen kann. Es wird in aller Regel von Theatern und Musikveranstaltern gekauft und meistens in großen Mengen. Einzelrollen werden selten verlangt. In den letzten vierzehn Tagen haben nur zwei Läden schwarzes Standard-Gaffa verkauft. Vor zehn Tagen sind zehn Rollen an die Freilichtbühne gegangen und einmal zwei Rollen an einen Privatmann. Die Verkäuferin konnte sich an ihn erinnern. Er wollte für eine Hochzeitsfeier die kahlen Wände in einem Saal zum Teil mit Dekorationsstoffen verkleiden. Sie hatte ihm Gaffa zur Befestigung empfohlen. Die Verkäuferin wusste sogar noch, wo die Feier stattfinden sollte. Wir konnten den Mann ausfindig machen.« Steeg zieht ein weiteres Blatt hervor. »Der Mann heißt René Bauer. Er hat noch jede Menge von dem Zeug über. Junger Familienvater aus Kleve. Seine Frau hat ihm am Samstag beim Schmücken des Raumes geholfen. Beide haben, bis auf die Pressemitteilungen über Gietmann, noch nie was von Gietmann oder Lüders gehört. Außerdem waren beide am Montagabend auf einem Elternsprechtag in der Schule. Das können zwölf Personen bezeugen. Diese Elternversammlung war gegen 21.30 Uhr beendet.« Er schiebt seine Zettel zur Seite. »Es gibt an die zweihundert Internetadressen unter dem Stichwort Gaffa. Außerdem wäre es für einen Dorfbewohner näher, wenn er das Zeug in Nimwegen kaufen würde. Joop hat das überprüft. In Nimwegen gibt es fünfundzwanzig Läden, die damit handeln.«
Van Oss hört auf zu tippen. »Da müssten wir unsere holländischen Kollegen um Amtshilfe bitten. Ich finde, wir gehen dann einen weiten Umweg zurück ins Dorf, oder?«
Böhm kreist die Stichworte zum Thema Gaffa schwarz ein. »Ja, das glaube ich auch. Wir verlieren das nicht aus den Augen, aber konzentrieren uns nicht darauf. Was hast du noch, Achim?«
Steeg zieht den linken Mundwinkel hoch. »Ich habe ja schon viel Blödheit erlebt, aber heute hat es mich schier umgehauen.« Er atmet hörbar ein und aus. »Die Dame in der Anzeigenannahme hat den Text am Samstag, den 10. März, aufgenommen.« Er lässt seinen Satz einen Augenblick im Raum stehen.
Lembach rutscht mit seinem Stuhl vor. »Das glaube ich nicht!« Er schlägt sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Hat die sich keine Sekunde gefragt, wie jemand zwei Tage vorher wissen kann ...?«
»Nein. Sie hat gesagt, sie würde nur für die Textannahme bezahlt. Es wäre nicht ihre Aufgabe, die Anzeigen inhaltlich zu überprüfen.«
»Wer hat die Anzeige aufgegeben?« Böhm hat auf einem zweiten Flipchart die Ereignisse chronologisch aufgeführt. Er zieht eine Linie unter
Leichenfund: Gietmann
und schreibt
Todesanzeige Lüders
.
»Das Beerdigungsinstitut Tonsmann. Die geben natürlich häufig Todesanzeigen auf, aber diese haben sie nicht bestellt. Die Dame in der Anzeigenannahme meint, es wäre eine weibliche Stimme gewesen, kann sich aber nicht genau erinnern. Was sie noch weiß, ist, dass die Stimme gesagt hat, Rechnungsanschrift wie immer.«
Böhm legt die Marker zur Seite und setzt sich. »Hast du überprüft, ob in den letzten Tagen vielleicht schon eine weitere Anzeige, vielleicht für kommenden Freitag oder Samstag aufgegeben wurde?«
»Ja. Ohne Ergebnis.«
»Heißt das, dass wir ein bisschen mehr Zeit haben?« Van Oss lehnt sich in seinen Stuhl zurück.
»Keine Ahnung. Ab morgen früh sitzt eine von uns dort, und wir können den Anruf sofort zurückverfolgen.«
Dann ist es still. Jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach. Steeg sieht sich die Aufzeichnungen auf den Flipcharts an. Van Oss stützt den Kopf mit seinen Händen ab und hat die Augen geschlossen.
Böhm schaut in die Runde und begegnet Lembachs müden Augen. »Eine weibliche Stimme. Hältst du es für möglich, dass das eine Frau getan haben könnte?«
Lembach denkt darüber nach. »Der Täter musste nur einmal wirklich Kraft aufwenden, und zwar als er den bewusstlosen Lüders über den Boden geschleppt hat, um ihn an den vorbereiteten Platz zu bringen.« Zunächst mit ganz kleinen Bewegungen, aber dann immer deutlicher nickt er Böhm zu. »Keine kleine, zierliche Person: Aber eine kräftige, trainierte Frau, ja.«
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Sie haben um 22.30 Uhr, nachdem sie alle Fakten immer wieder durchgegangen sind, Feierabend gemacht. Die Zeitabläufe und die gefundenen Spuren – da waren sie sich einig – deuteten auf einen Einzeltäter hin. Der Aspekt, dass es sich auch um eine Frau handeln könnte, hatte die Diskussion neu belebt und eine Mischung aus Frustration und
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