Wenn das Herz im Kopf schlägt
verstummt.
»Der soll nicht mit offenen Türen arbeiten. Aber das lernt der wohl nie.« Mahler greift in seine Brusttasche und holt eine Schachtel filterloser Zigaretten hervor. Er schnippt mit dicken Fingern gegen den Boden des Päckchens und zieht die vorstehende Zigarette mit den Lippen heraus. Den Rücken zum Wind, beugt er sich über sein Feuerzeug und zündet sie an. »Ich habe gestern schon mit Ihrem Kollegen gesprochen. Bei der Polizei ist das wohl auch so, dass die Linke nicht weiß, was die Rechte tut. Aber so ist das ja bei allen Behörden.« Er zieht erneut an seiner Zigarette und bläst den Qualm mit vorgeschobenen Lippen in den Wind.
Böhm lächelt ihn freundlich an. »Wir wollten gerne noch einmal mit Ihnen allein sprechen. Sie sind doch Mitglied des Stammtisches und Sie waren es vor vierunddreißig Jahren auch schon, nicht wahr?«
Mahler steckt die freie Hand in die Hosentasche seines Overalls, wirft seine Zigarette auf den Boden und zertritt sie ausgiebig. »Ja, war ich. Und?«
»Einige der damaligen Mitglieder wohnen nicht mehr hier. Wissen Sie, was aus Horst Winkler, Karl Holter und Klaus Söller geworden ist?«
Er atmet durch. Seine Lunge macht einen Ton, der dem der ausgehenden Kreissäge sehr ähnlich ist. »Karl Holter ist tot. Der ist vor zwanzig Jahren an Lungenkrebs gestorben. Horst Winkler lebt in Kleve in einem Altenheim, und Klaus Söller wohnt noch hier. Seine Tochter hat ihn zu sich genommen. Der sitzt schon seit einigen Jahren im Rollstuhl, hat irgend so eine Muskelkrankheit.« Er schaut von Böhm zu van Oss. »Kann ich jetzt wieder an meine Arbeit?«
»Mynheer Mahler, können Sie uns mal erzählen, wie das damals mit Johann Behrens war. Ich meine, was sich im
Dorfkrug
abgespielt hat, bevor Mynheer Behrens nach Hause fuhr?«
Mahler schüttelt den Kopf. »Das ist über dreißig Jahre her. Außerdem haben wir damals alle eine Aussage gemacht. Lesen Sie es doch nach!« Er dreht seinen Insektenkopf zur Seite und schaut über den Gemüsegarten, der sich neben dem Schuppen gut zwanzig Meter bis zu einer hohen Hecke zieht.
»Wir würden es gerne jetzt von Ihnen hören. Worüber ist gestritten worden, bevor Johann Behrens wutentbrannt nach Hause fuhr?«
»Das weiß ich nicht mehr. Wir hatten alle getrunken. Eine Lappalie wahrscheinlich. Behrens war jähzornig und regte sich über jede Kleinigkeit auf.«
Böhm sieht Mahler an und versucht, seinen Blick festzuhalten. »Ich glaube Ihnen nicht, Herr Mahler. Ich glaube nicht, dass alle Beteiligten bis zur Besinnungslosigkeit betrunken waren.«
Mahler hält Böhms Blick trotzig stand.
»Ich glaube, dass der Tod von Gietmann und von Lüders mit dem Tod von Frau Behrens zu tun hat. Und wissen Sie was? Wir haben allen Grund zu der Annahme, dass der Mörder noch nicht fertig ist.«
Mahler schnappt nach Luft. Seine Stimme klingt gepresst. »Dann sollten Sie sich wohl besser auf die Suche nach dem Täter machen, als hier im Schnee von gestern rumzuwühlen.«
»Herr Mahler, wir glauben, dass wir den Täter im Schnee von gestern finden. Und wissen Sie, was das Kuriose an dieser Geschichte ist? Die Leute, die wir für die potenziellen nächsten Opfer halten, mauern und schützen den Mörder.«
Mahler verschränkt die Arme vor der Brust. Der Overall spannt über seinen immer noch muskulösen Oberarmen. »Sie sind ja verrückt.«
Böhm schiebt seine Brille zurecht und geht auf das Werkstattor zu. Er dreht sich noch einmal kurz um und ruft: »Das ist sehr interessant, Herr Mahler. Das Gleiche hat Lüders am Sonntag auch zu mir gesagt.«
Joop hebt kurz die Hand. »Mynheer Mahler, ich sehe Sie bestimmt wieder. Ich hoffe, Sie sehen mich dann auch!«
Mahler wird blass. Er starrt Joop ungläubig an. »Sie sind doch verrückt.« Seine Stimme verebbt kraftlos.
Im Auto zeigt Böhms Handy, dass er eine SMS erhalten hat. Die angezeigte Nummer ist von Brigitte.
Mach keinen Unsinn. Bin auf Borkum. Bin heute Nachmittag zurück!
Joop sitzt auf dem Beifahrersitz.
Peter Böhm wirft das Handy auf die Ablage und lehnt sich zurück. »Sie ist auf Borkum. Sie kommt heute Nachmittag zurück!« Er legt beide Hände auf sein Gesicht und schiebt mit den Fingerspitzen die Nickelbrille auf den kahlen Kopf. »Sie kommt wieder.« Er atmet erleichtert aus.
Dann schüttelt er den Kopf und startet den Wagen. »Ich würde gerne, bevor wir zu Jansen fahren, über den Friedhof gehen. Ich möchte mir mal das Behrensgrab ansehen.«
Joop schnallt sich an. »Können wir
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