Wenn das Verlangen uns beherrscht
manchmal passiere, wenn die Mutter noch sehr jung sei. Für spätere Schwangerschaften habe das nichts zu bedeuten. Aber ich war verzweifelt.“ Sie schniefte leise. „Die Ärzte bemühten sich sehr um meinen kleinen Jungen, aber er wurde nur drei Wochen alt. Seine Lungen und andere Organe waren einfach noch nicht richtig ausgebildet. Ich habe ihn nie mit nach Hause nehmen können.“
„Wie schrecklich.“ Matthew stand auf, zog Susannah hoch und nahm sie fest in die Arme. „Wie hieß er denn?“
„William. Wie mein Vater.“ Sie drückte ihm das Gesicht gegen die Brust und schluchzte.
Zärtlich strich er ihr über das Haar. „Ein schöner Name.“
Als sei ihr etwas eingefallen, machte sie sich plötzlich los und zog Matthew neben sich auf den Stuhl. „Ich habe dir diese Geschichte nur erzählt, damit du den Unterschied erkennst. Ich war außer mir vor Schmerz, als William starb. Und auch heute noch denke ich manchmal daran, wie mein Leben wohl verlaufen wäre, wenn er am Leben geblieben wäre. Aber Flynn gehörte immer euch. Natürlich war es nicht ganz einfach, ihn dann abzugeben. Aber William zu verlieren, war viel viel schlimmer.“
„Weil du ihn geliebt hast“, sagte er leise.
„Ja“, flüsterte sie. „Solche Gefühle habe ich mir bei Flynn verboten. Er war euer Kind.“
Wieder griff Matthew nach ihren Händen. „Ich weiß gar nicht, ob ich dir jemals gedankt habe. Für Flynn, meine ich. Wahrscheinlich habe ich im Krankenhaus erwähnt, wie dankbar wir gewesen waren. Aber ich habe dir nie so wie jetzt in die Augen gesehen und mich bedankt. Danke, Susannah Parrish, für diesen wunderbaren kleinen Jungen.“
Er meinte es ernst, das las sie in seinen klaren grünen Augen, und das berührte sie zutiefst. „Der Verlust von William hat mich eins gelehrt. Leben hat keinen Preis. Es ist ein unendlich kostbares Geschenk. Und so war ich froh, euch dieses Geschenk machen zu können.“
„Das glaube ich dir.“ Er küsste sie auf die Stirn. „Wie siehst du deine Zukunft? Du hattest zwei Babys, aber du konntest keins behalten. Möchtest du noch ein Kind haben?“
„Ja, vielleicht auch zwei oder drei …“ Ein Bild von einem Kind stand ihr plötzlich vor Augen, einem kleinen Mädchen, das Matthew aberwitzig ähnlich sah. Es trug ein rotes Baumwollkleid mit einer großen Schleife auf dem Rücken und streckte seine rundlichen Arme nach ihr aus …
„Du wirst eine fantastische Mutter sein“, riss Matthew sie aus ihren Wachträumen.
Sie schrak zusammen und blickte schnell zur Seite. Was war ihr nur in den Sinn gekommen? In wenigen Tagen würde sie Charleston und Matthew verlassen. Wenn sie sich diesen Fantasien überließ, war sie in Gefahr, falsche Entscheidungen zu treffen. Schnell setzte sie ein glaubhaftes Lächeln auf. „Hast du gesehen, dass sie das Eis auch in großen Behältern verkaufen? Wir könnten doch was für Flynn mitnehmen. Was isst er denn am liebsten?“
„Erdbeer.“ Matthew stand auf. „Aber ich nehme auch noch von dem Grapefruiteis mit. Für uns.“ Er zwinkerte ihr zu und senkte die Stimme. „Ich glaube, das schmeckt im Bett noch besser.“
9. KAPITEL
Als Susannah an Matthews Arm den prächtigen Eingang des Herrenhauses durchschritt, fühlte sie sich um zehn Jahre zurückversetzt. Die Szene war in sanftes Licht getaucht, und alles glitzerte und glänzte. Wie immer bei solchen Anlässen – von den Cocktailkleidern der weiblichen Gäste bis zu den funkelnden Kronleuchtern.
Als Teenager hatte sie die Großeltern häufiger zu ähnlichen Events begleiten müssen, die ihre aufgeputzte Enkelin überall herumzeigten. Die eigenen zwei Töchter waren aus North Carolina weggezogen, und der Sohn, Susannahs Vater, lebte nicht mehr. So musste sie als Ersatz herhalten, und sie hasste es. Auf der Fahrt wurde sie ständig ermahnt.
Kratz dich nicht an der Nase.
Bring deine Frisur nicht durcheinander. Der Friseur hat sich große Mühe gegeben.
Lächle (aber distanziert und geheimnisvoll, wie sie es immer wieder hatte üben müssen).
Zeig dich interessiert an dem, was man dir erzählt, aber lach nicht zu laut und kreische nicht. Nicht dass sie auf diese Idee gekommen wäre, denn sie war ruhig und eher schüchtern gewesen. Aber die Großeltern hatten kein Risiko eingehen wollen. Sie war ihr Aushängeschild, und so war es ungeheuer wichtig, wie sie sich benahm.
Welche Erleichterung, wenn sie dann wieder nach Hause kam, wo sie endlich sie selbst sein konnte. Manchmal hatte sie sich
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