Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
Dorothea bemühte sich um Fassung.
» Nie?« Überrascht hob Jane die Augenbrauen. » Nicht einmal, wenn ihr heiratet?«
» Doch, ich glaube schon. Aber nicht einfach so. Das Thema ist– wie soll ich sagen– sehr, sehr privat.«
» Bei uns im Lager sprachen alle ständig davon. Die Männer über die Frauen, die Frauen über die Männer und alle gemeinsam über die weißen Männer. Die Frauen, die oft mit Weißen hinter einen Busch gingen, sagten, dass sie sehr unterschiedlich wären. Schafhirten seien fast wie unsere Männer, aber die vornehmen aus der Stadt schwächlich wie ein Greis.« Sie lachte kehlig. » Was für ein Glück, dass Tim ein Schafhirte ist!«
Und was für ein Glück, dass weder ihre Mutter noch Lischen in Hörweite waren! Dorothea wagte nicht, sich die Reaktion Mutter Schumanns auf diese in aller Harmlosigkeit geäußerte Information auszumalen.
» Du willst damit doch nicht sagen, dass Herren aus Adelaide sich…« Dorothea fehlten die Worte.
» Aber natürlich. Oder hast du wirklich geglaubt, nur Schafhirten gingen zu lubras?«
Dorothea versuchte, das zu verdauen. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass die Herren in ihrem feinen Zwirn, die immer so höflich den Zylinder lupften, wenn sie ihnen auf der Straße begegnete, mit Eingeborenenfrauen » hinter einen Busch gingen«, wie Jane es so malerisch ausdrückte. Ihr Widerwillen spiegelte sich so deutlich auf ihrem Gesicht, dass Jane ganz erstaunt fragte: » Hast du das denn nicht gewusst? Ach, wie dumm von mir. Ihr sprecht ja nicht darüber.« Sie lachte erneut, offenbar fand sie diese Zurückhaltung äußerst albern.
» Stört es die Männer denn gar nicht, wenn ihre Frauen mit fremden Männern… in den Busch gehen?«, erkundigte Dorothea sich. Bekanntermaßen betrugen die Eingeborenen sich nicht nach europäischen Vorstellungen von Sitte und Anstand, aber dennoch fiel es ihr schwer, zu glauben, dass es Ehemännern tatsächlich gleichgültig war, wenn ihre Frauen sich mit anderen Männern einließen.
» Nur, wenn sie keine Kompensation dafür bekommen.« Plötzlich wurde Jane ernst. » Dann ist das Gleichgewicht nicht mehr gewahrt, verstehst du?«
Dorothea nickte geistesabwesend, weil ihr eben ein schrecklicher Gedanke durch den Kopf geschossen war: Ging Miles Somerhill etwa auch in den Busch? Sie brachte es nicht über sich, Jane zu fragen. Was, wenn sie es bejaht hätte? Stattdessen griff sie nach ihrem Notizbuch und sagte betont munter: » Ich denke, wir sollten dann anfangen mit dem Interview. Die meisten Leserinnen interessieren sich sicher brennend dafür, wie eine Hochzeit bei deinem Stamm gefeiert wird. Welche Zeremonien werden dabei abgehalten? Kannst du sie mir beschreiben?«
» Nachdem die Verhandlungen über den Brautpreis abgeschlossen waren, hat mein Bruder mir befohlen, alle meine Sachen zusammenzupacken und meinem Ehemann zu seinem Lager zu folgen«, sagte Jane nüchtern. » Eine spezielle Zeremonie gibt es nicht. Dafür ist es nicht wichtig genug.«
Fassungslos ließ Dorothea den Stift sinken und starrte sie an. » Nicht wichtig genug? Eine Hochzeit?!« Bisher hatten sie, auch wenn sie allein gewesen waren, weder über Janes ersten Ehemann noch über ihr Leben bei seinem Stamm gesprochen. Irgendwie hatte es sich nie ergeben. Jane kicherte. » Du solltest lieber den Mund wieder zumachen, sonst fliegt noch eine Mücke hinein«, riet sie. » Tim hat mir erzählt, dass bei den Weißen eine Eheschließung eine großartige Angelegenheit ist. Deswegen will er mich ja auch nach euren Zeremonien heiraten. Er meinte, sonst fühlte er sich überhaupt nicht verheiratet.« Sie verzog spöttisch den Mund. » Dass man vor der Hochzeitsnacht enthaltsam bleiben muss, hat er mir aber erst viel später erzählt. Damals war ich schon lange seine Frau.«
» Musstest du nicht erst von deinem Mann geschieden werden? Kommt es oft vor, dass Ehefrauen ihren Mann verlassen?«
Jane schüttelte den Kopf. » Eine Ehefrau kann ihren Mann nicht verlassen. Sie gehört ihm. Wenn sie wegläuft, weil sie Heimweh nach ihrer Familie hat oder weil er sie schlecht behandelt hat, wird sie sofort zurückgebracht und hart geschlagen. Einmal hat mir gereicht!« Sie beugte sich vor, zog ihre Haare am Scheitel etwas auseinander und ließ Dorothea einen Blick auf eine lange, hässliche Narbe auf der Kopfhaut werfen. » Du kannst mir glauben, dass es lange gedauert hat, bis es nicht mehr schmerzte und mich nicht mehr an meinen Fehler erinnerte«, sagte
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