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Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Titel: Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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sie ihm hinterlassen hatte.
    Keiner sagte ein Wort. Mickey hielt den Blick auf die Eule gerichtet und Shane ging neben ihr in die Hocke. Es war ein gutes Gefühl, ihn in der Nähe zu wissen. Seite an Seite, lehnte er sich leicht gegen sie.
    Gestern Nacht, als sie endlich eingeschlafen war, hatte sie Alpträume gehabt. Sie hatte geträumt, ihre Bettwäsche sei die Decke gewesen, die sie unaufhaltsam auf den Meeresgrund hinabzog. Sie hatte einen lauten Schrei ausgestoßen und als sie davon wach wurde, hatte ihre Mutter sie in den Armen gewiegt, während Shane ihr über die Schulter spähte – er war von unten, wo er auf der Couch nächtigte, wie der Blitz hinaufgelaufen.
    »Ich habe es gesehen«, sagte Mickey nun laut.
    »Was?«, fragte Shane.
    »Das U-Boot. Als ich unter Wasser war.«
    »Hat es dich so weit vom Ufer abgetrieben?«, fragte O’Casey. »Es ist in ungefähr hundert Metern Entfernung gesunken.«
    »Dann muss ich mich getäuscht haben.« Bruchstücke von Erinnerungen kehrten zurück: Shane und sie waren nicht über die Brandungslinie hinausgekommen. Sie erinnerte sich, dass eine riesige Welle über ihrem Kopf zusammenschlug, als sie aufgetaucht war und Luft geholt hatte. »Aber ich habe es gesehen, ganz sicher …«
    »Du hast gesagt, dass du das U-Boot gesehen hast«, bestätigte Shane. »Und die Besatzung. Als ich dich herausgezogen habe.«
    »Wahrscheinlich war ich völlig durcheinander.« Ihr Blick kehrte zu dem Vogel zurück. »Aus Sorge um die Eule und wegen allem.«
    »Du hattest gestern Nacht Alpträume«, sagte Neve ruhig.
    »Ich weiß.«
    »Ich wollte nach dir sehen. An der Tür habe ich Shane getroffen.«
    »Tut mir leid«, sagte Shane und Mickey spürte, wie er sich verkrampfte, offenbar Angst hatte, Ärger zu bekommen. »Ich bin nur hochgelaufen, Mrs. Halloran, weil sie geschrien hat«, erklärte er rasch.
    »Mickey hat einen Beschützer«, sagte Tim O’Casey. Shane schnappte nach Luft, überrascht, dass der Ranger seine Partei ergriff.
    »Nun …«, begann Neve.
    »Wir brauchen alle jemanden, der uns beschützt«, fügte Tim O’Casey sanft hinzu.
    Irgendetwas ging zwischen den beiden Erwachsenen vor; es knisterte zwischen ihnen, die Atmosphäre war aufgeladen wie vor einem Sommergewitter. Seltsam war, dass es sich um eine gute Art von Spannung handelte – nicht wie früher, wenn ihre Eltern gestritten hatten, oder wie gestern Abend, als Josh in Rage geraten war, nachdem Shane ihm den Stein aus der Hand genommen und ihn vor den anderen gedemütigt hatte.
    Wenn Mickey es nicht besser gewusst hätte, hätte sie gesagt, dass es die gleiche Spannung war, die sie in Shanes Gegenwart empfand: eine unsichtbare, geradezu magnetische Anziehungskraft, die sie aus jeder Pore verströmten.
    »Was machen wir jetzt mit der Eule?«, fragte Neve, die Tim O’Casey immer noch ansah.
    »Wir lassen ihr Zeit zum Ausruhen und hoffen, dass sie irgendwann von alleine frisst und trinkt«, erklärte Tim.
    »Shane meint aber, dass sie das nicht tun wird«, entgegnete Mickey ruhig. »Es muss doch irgendeine Möglichkeit geben, ihr zu helfen.«
    »Ich wüsste nicht, wie.«
    »Ich aber«, warf Neve ein.
    »Und das wäre?«, fragte Tim.
    Neve antwortete nicht, und als sich das Schweigen ausdehnte, sah Mickey, wie ihre Mutter Mr. O’Casey mit einem seltsam beunruhigend neutralen Ausdruck von Geduld anblickte – den sie immer dann an den Tag legte, wenn sie Mickey die Gelegenheit geben wollte, von alleine auf die Antwort zu kommen. Im Moment schien er derjenige zu sein, der begriffsstutzig war.
    »Und das wäre?«, fragte Tim O’Casey abermals.
    »In der Nähe von Kingston gibt es eine Auffangstation für Wildtiere, die auf Raubvögel spezialisiert ist«, sagte sie.
    »Nein.« Seine Stimme klang, als wäre eine Tür zugefallen.
    »Doch.«
    »Woher wissen Sie davon? Ich habe sie mit keiner Silbe erwähnt.«
    Mickey blickte Shane an. Er schien genauso im Dunkeln zu tappen wie sie. Ihre Mutter und Mr. O’Casey unterhielten sich über ihre Köpfe hinweg, und beide hatten keine Ahnung, um was es ging. Aber es handelte sich offenbar um ein Thema, das Zündstoff enthielt; das erkannte man allein daran, dass Mr. O’Casey zurückwich, fluchtartig den Kreis verließ, der sich um den Käfig gebildet hatte, und sich abseits ans Fenster stellte.
    »Spielt es eine Rolle, woher ich das weiß?«, fragte Neve. »Wichtig ist doch wohl, dass die Eule mehr Hilfe braucht, als wir ihr hier bieten

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