Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)
zu lesen. Wann liefert die Druckerei die Fahnen?«
»Morgen, spätestens.«
»Ausgezeichnet. Ich werde Ihnen ein Geheimnis anvertrauen, aber Sie dürfen es keiner Menschenseele verraten, nicht einmal wenn ich tot bin und mein Biograph Sie auf Knien anfleht – aber er ist der Grund, warum ich ein Cape trage.«
»Berkeley?«
»Natürlich, wer sonst. Die Leute sollen den Eindruck erhalten, ich hätte mir diese Gewohnheit während meiner Jahre in Rom zugelegt, aber mitnichten – ich habe hier damit begonnen, in meiner Heimat. In einer Gegend aufzuwachsen, in der sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, ist kein Zuckerschlecken, glauben Sie mir. Das Leben in Central Falls war alles andere als prickelnd. Nichts als Fabriken und Fabrikarbeiter, Tanten und Onkel weit und breit, und die größte Abwechslung war am Freitagabend die Fahrt zum Federal Hill, zu Caserta’s, um Pizza zu essen; ich tröstete mich mit dem Wissen, dass Berkeley vor mir in unserem kleinen Staat gelebt hatte. Dass er beschwingt die Thayer Street entlanggeeilt war, seine Malutensilien gekauft und sein Cape dabei getragen hatte …«
»Es scheint, als hätte er es getragen, um sich in einen anderen Menschen zu verwandeln. Der Künstler als Supermann. Er streifte sein reales Leben, wie immer es auch ausgesehen haben mochte, ab und wurde zu ›Berkeley‹. Wissen Sie, dass ich jeden einzelnen Menschen mit dem Namen Berkeley angerufen habe, den ich in den Telefonbüchern von Rhode Island entdecken konnte, und kein einziger den Anspruch erhebt, mit ihm verwandt zu sein? Einige hatten noch nie von ihm gehört und andere erklärten, wenn er mit ihnen verwandt wäre, müssten sie es wissen, denn die ganze Sippe sei schon seit Generationen hier ansässig.«
»Darling – wahrscheinlich ist das ein weiterer Grund, warum Berkeley eine so große Fangemeinde hat. Er ist von einem Geheimnis umgeben. Das können heutzutage nur wenige Künstler von sich behaupten. Jeder hat einen Presseagenten …«
»Berkeley nicht.«
»Ich hoffe, Sie haben das Geheimnisvolle betont – das weckt die Neugierde, lockt Schaulustige an. Ich habe mit einem Produzenten vom öffentlichen Fernsehen gesprochen; sie sind daran interessiert, einen Dokumentarfilm zu drehen, mit unserer Ausstellung als zentrales Thema. Sie wissen schon, so eine Art Suche nach der Wahrheit: Wer war Berkeley wirklich?«
»Anonymität als Marketinginstrument«, erwiderte sie nachdenklich.
»Das treibt den Wert seiner Bilder in die Höhe«, sagte Dominic ohne eine Spur von Humor, dafür aber mit einem Anflug von Besorgnis im Blick. »Und das zählt. Um ehrlich zu sein, ich würde sogar einen Mord begehen, um das Geheimnis seiner Identität zu lüften. Nicht auszudenken, wenn uns das im Rahmen unserer Ausstellung gelänge, stellen Sie sich das nur einmal vor!«
»Das wäre mit Sicherheit eine Sensation.«
»Die Preise würden astronomische Höhen erreichen.«
Neve betrachtete die Aquarell-Miniatur einer Meerschwalbe; kostbar gerahmt, lehnte sie an der Wand, bereit, ihren Platz als Exponat einzunehmen. Dominic hatte recht – nach dieser Ausstellung würde der Wert der Berkeleys, die sich in Privatbesitz befanden, beträchtlich steigen. Der Gedanke bewog sie, ihr eigenes finanzielles Anliegen anzusprechen.
»Dominic, ich muss mit Ihnen reden.«
»Worüber denn?«
»Ich arbeite nun seit sieben Jahren bei Ihnen, und nach Adeles Ausscheiden im letzten Jahr bin ich quasi Mädchen für alles – ich organisiere Ausstellungen, bereite Kataloge vor, verkaufe Bilder.« Sie saß kerzengerade da und sah Dominic an, behielt aber Mickey im Blick – das Schulfoto stand an der Ecke ihres Schreibtischs, hinter Bücher- und Papierstapeln.
»Ich weiß, meine Liebe – Sie sind ein Geschenk des Himmels.«
»Vielen Dank. Deshalb habe ich gehofft …«
Dominics Handy klingelte; er holte es aus der Vordertasche seiner schwarzen Jeans und hielt den Finger hoch. »Un momento.«
Neves Herz klopfte. Sie betrachtete Mickeys Foto und überlegte, ob sie die Misere mit Richard erklären sollte – Dominic hatte ihn nie gemocht, hielt ihn für aalglatt und unredlich. Aber Dominic hatte es auch stets vermieden, sich allzu sehr mit dem Privatleben seiner Angestellten auseinanderzusetzen. Neve konnte auf sein Mitleid verzichten; sie wollte eine Gehaltserhöhung aufgrund ihrer Arbeit und nicht, weil Mickeys Vater sie auf dem Trockenen sitzen ließ.
Sie schloss die Augen und hörte, wie Dominic mit jemandem darüber
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