Wenn es Nacht wird in Miami
Kannst du mir einen Satz Fingerabdrücke dieser Dame besorgen?“
Mitch dachte kurz nach, dann fielen ihm die Gläser ein, die von heute Abend noch benutzt in der Küche standen, weil sie nicht mehr in den Geschirrspüler gepasst hatten. „Ich denke, das lässt sich machen. Du bekommst sie morgen früh per Kurier. Und wenn du schon einmal dabei bist, würde ich auch gerne etwas über ihre Schwester Marlene Corbin erfahren.“
„Etwas Bestimmtes?“
„Ja, zwei Dinge. Diese Marlene Corbin ist vor drei Monaten durch einen Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Sie wurde überfahren, und der Unfallfahrer hat Fahrerflucht begangen. Die Polizei ist bei ihren Ermittlungen nicht weitergekommen. Vielleicht findest du mehr heraus. Und dann sind da noch hundert Riesen, die diese Frau von uns bekommen hat, und ich wüsste gern, wo das Geld geblieben ist.“
Frank Lewis machte sich ein paar Notizen und versprach, sich darum zu kümmern.
Mitch wusste, dass dieser Ermittler die Diskretion in Person war. Deshalb fügte er hinzu: „Ich muss unbedingt wissen, ob mein Vater etwas mit diesem Unfall zu tun hatte.“
4. KAPITEL
Carly ging schneller. Sie musste die Müdigkeit aus ihrem Körper vertreiben. Und die dummen Gedanken, die ihr den Verstand vernebelten. Den größten Teil der Nacht hatte sie mit klopfendem Herzen wach gelegen und an Mitchs Küsse gedacht. Küssen konnte dieser Bastard, das musste man ihm lassen. Aber so genau hatte Carly das gar nicht wissen wollen.
Rhett, der, vor Vergnügen glucksend, vor ihr in der Sportkarre saß, gefiel das Tempo. Er liebte es, wenn ihm der Fahrtwind ins Gesicht blies. Für ihn konnte es gar nicht schnell genug gehen.
Wie hatte sie sich nur derartig überrumpeln lassen können? Die einzige Erklärung, die ihr dazu einfiel, war ihr Frust. Vor drei Monaten hatte sich Sam von ihr getrennt. Ihr Exverlobter hatte sie vor die Wahl gestellt „Rhett oder ich“, als es darum ging, sich um Marlenes Baby zu kümmern, das nun keine Mutter mehr hatte.
Vielleicht war das Intermezzo mit Mitch auch ihren rebellisch gewordenen Hormonen zuzuschreiben. An diesem Morgen jedenfalls wollte Carly ihm auf keinen Fall begegnen und hatte sich deshalb schon in aller Frühe auf ihre Joggingrunde begeben. Sie musste sich künftig besser unter Kontrolle haben. Sogar auf den Gedanken, nach einem Mann Ausschau zu halten, mit dem sie ab und zu mal ausgehen konnte, war sie verfallen, hatte die Idee aber gleich wieder verworfen. Flüchtige Abenteuer waren nichts für sie.
Plötzlich kam es Carly so vor, als wären hinter ihr Schritte zu hören. Sie drehte sich im Laufen um, konnte aber niemanden entdecken. Sie musste sich getäuscht haben. Es kam in diesem vornehmen Villenviertel selten vor, dass sich jemand außerhalb seiner hohen Grundstücksmauern sehen ließ. Hier ging man nicht spazieren oder joggte durch die Straßen. Anders als in der Gegend, in der sie früher gewohnt hatte. Dort kannte sie fast jeden und hatte in ihrer Straße schon etliche Nachbarschaftsfeste gefeiert.
An einer Kreuzung musste Carly warten, um einen bananengelben Lamborghini passieren zu lassen. Wieder hörte sie die Schritte hinter sich, und als sie sich dieses Mal umdrehte, erblickte sie ein Stück weiter Mitch, der den Abstand zwischen ihnen rasch verkürzte. Obwohl sie ihn zur Hölle gewünscht hatte, musste sie ihn nun einfach ansehen. Mitch trug außer Laufschuhen nichts weiter als eine kurze Sporthose. In allen Einzelheiten konnte sie die Muskeln seines athletischen Körpers arbeiten sehen. Seine braun gebrannte Haut glänzte in der Morgensonne. Noch ehe sie weiterlaufen konnte, hatte er sie eingeholt.
„Guten Morgen, Carly.“ Auch er musterte sie aufmerksam, und sie hatte das Gefühl, als würden seine Blicke, die auf ihrem knappen Sporttop und ihren langen Beinen verweilten, sie versengen.
„Guten Morgen, Mitch“, antwortete sie. Mitch joggte auf der Stelle. „Lassen Sie sich durch uns nicht aufhalten.“
„Ihr haltet mich nicht auf. Ich habe beschlossen, euch heute Morgen zu begleiten.“
„Buba! Buba!“, rief Rhett, als er Mitch bemerkt hatte.
Mitch stellte sich vor seine Karre und ging in die Knie. „Mitch“, sagte er zu Rhett und zeigte auf sich. „Nicht Buba. Mitch!“
„Mitt, Mitt“, antwortete der Kleine.
„Schon viel besser“, sagte Mitch und richtete sich wieder auf.
Seite an Seite liefen sie weiter und schwiegen eine ganze Weile, sodass nur ihre Schritte und ihr Atem zu hören waren. Zwei
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