Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
eine Fahrt mit der Revenge zu machen.«
»Dazu gehört aber mehr, als nur die Motoren anzuwerfen – das weißt du hoffentlich?«
»Hm. Ich dachte nur, dass es irgendwie schade ist, wenn man ein Boot hat, aber damit nie irgendwo hinfährt. Ich brauche einfach ein neues Ziel, das ist alles.«
»Gut«, sagte sie zögerlich. »Ich frage ihn. Vielleicht kommt er ja mit, wenn du auf Fahrt gehen willst. Wohin willst du denn?«
Jetzt wurde es zu detailliert. Ich hätte Malcom und nicht Josie fragen sollen. Er hätte nicht mit der Wimper gezuckt.
»Keine Ahnung. Hör zu – vergiss es einfach. Es ist kein Problem.«
»Genevieve!«, sagte sie streng. »Machst du dir Gedanken wegen dem, was gestern passiert ist? Ich bin sicher, das war eine einmalige Angelegenheit. Hier werden nur selten Leichen angeschwemmt. Ich weiß, dein Boot ankert am nächs ten zum Fluss, aber mach dir deswegen keine Sorgen, es wird nicht wieder vorkommen, wirklich nicht.«
Ich nahm meine Tüte mit der Wäsche. »Ist schon okay, Josie, wirklich. Das war nur so eine Idee.«
Ich verstaute gerade die Wäsche, als es an der Steuerhaustür klopfte. Es war Malcolm.
»Morgen!«, rief er fröhlich.
»Wie war der Shoppingausflug? Ich habe ganz vergessen, Josie danach zu fragen.«
»Oh«, sagte er. »Letztlich sind wir dann doch nicht gegangen. Es war einfach zu viel los hier.«
Er füllte den Wasserkessel und stellte ihn wie selbstverständlich auf den Kocher, so als befände er sich auf seinem und nicht auf meinem Boot. Es machte mir nichts aus, obwohl ich vermutlich nicht so weit gehen würde, einfach auf die Aunty Jean zu spazieren und mich zu bedienen.
»Du meinst die Polizei?«
»Ja, die Bullen.«
»Haben sie mit euch geredet?«
»Oh, klar. Sie wollten an Bord der Jean kommen, aber ich habe ihnen gesagt, dass es dort zu eng ist, also haben wir uns ins Büro gesetzt.« Er lächelte mich schief an. »Ich bin nicht scharf auf die Bullen, auch wenn die hier ganz okay waren.«
»Ich fand sie auch in Ordnung.«
»Ja, aber irgendwas hat mit der Leiche ganz und gar nicht gestimmt. Ich glaube nicht, dass sie hier einfach nur angeschwemmt wurde.«
»Ehrlich gesagt habe ich versucht, nicht darüber nachzudenken.«
»Und außerdem ist sie nicht einfach ins Wasser gefallen.«
»Nein, das glaube ich auch nicht«, sagte ich seufzend.
Er holte zwei Tassen aus dem Schrank und löffelte Kaffee hinein. »Die Polizei ermittelt wegen Mord.«
»Ach, ja? Bist du dir sicher?«
»Bei einem Selbstmord oder Unfall sind meistens nicht so viele Polizisten vor Ort. Außerdem wussten sie nicht, wer die Leiche war. Normalerweise wissen sie schon vorher, wer vermisst wird, wenn sie eine Leiche im Fluss finden. Das heißt, dass entweder keine Vermisstenanzeige vorliegt oder dass die Leiche nicht von hier ist. Vielleicht ist sie aus London oder von sonst wo, keine Ahnung.«
»Warum ausgerechnet aus London?«
Er zog eine Grimasse. »Ist doch praktisch hier, oder? Direkt an der A2. Und es ist der erste Fluss, an dem man vorbeikommt. Dort, wo es anfängt, ländlich auszusehen.«
»Kann sein.«
»Besorgniserregend finde ich nur, dass sie ausgerechnet neben deinem Boot lag. Komisch, oder?«, sagte er und zeigte mit einem Teelöffel auf mich.
Ich sah ihn an. »Vielleicht dachten die einfach, sie würde in den Fluss gespült, wenn man sie am Ende des Pontons ablegt.«
»Vielleicht«, sagte er. Der Kessel begann leise zu pfeifen. »Ich glaube eher, dass sie absichtlich hier abgelegt wurde.«
»Was?« Meine Stimme klang dumpf und schien von weit her zu kommen.
»Du bist aus London, oder?«
»Na und?« Plötzlich wurde mir übel. Wie kam er darauf? Wie konnte ich nur die Zeit zurückdrehen, meinen Gang in die Waschküche ungeschehen machen, meine Frage an Josie, ob Malcolm mir helfen könnte? Ich hatte das Gefühl, mich verraten zu haben.
»Du hast vorher noch nie den Wunsch geäußert, mit dem Boot zu fahren«, sagte er.
»Der Polizist hatte es nebenbei erwähnt«, antwortete ich lahm. »Er hat mich gefragt, ob ich mit dem Boot fahre. Das ist mir bisher noch nie in den Sinn gekommen, mehr nicht. Mit der Leiche hat das nichts zu tun, wirklich nicht.«
Er lächelte, als würde er mir nicht glauben. Musste er auch nicht.
»Gen, du brauchst keine Angst zu haben.«
»Habe ich auch nicht.«
»Und du solltest mich auch nicht belügen.« Der Kessel pfiff mittlerweile laut, und er drehte das Gas ab.
Malcolm reichte mir eine Tasse mit Kaffee, und wir setzten uns in den
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