Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
Ein paar meiner Stammgäste waren da, alles Männer, für die der Zahltag keine große Rolle spielte, und ich wusste, dass ich später noch ein paar private Buchungen hatte. Ich war mir nicht sicher, ob ich die überstehen würde, ohne völlig auszuflippen. Dylan hatte versprochen, auf mich aufzupassen, doch noch hatte ich ihn nicht gesehen. Und wenn er nicht da war? Wer würde dann auf mich aufpassen?
Sobald ich zwischen meinen Auftritten eine freie Minute hatte, setzte ich mich zu Helena an die Bar, die beim Kellnern aushalf, weil weniger Personal als sonst da war. Besser gesagt, sie musste Drinks servieren, die Stammkunden unterhalten, vor allem aber neue Kontakte knüpfen.
»Kommt Fitz heute?«, fragte ich.
Sie zuckte die Achseln. »Hab ihn noch nicht gesehen. Geh nach oben und frag Nicks; er müsste im Büro sein.«
Ich war schon die halbe Treppe hinaufgegangen, als Nicks sich mir in den Weg stellte. Immerhin sieht jemand auf die Monitore, dachte ich und schaute in die Kamera über der Treppe.
»Was gibt’s?«, fragte er und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich will mit Fitz sprechen«, sagte ich.
»Er aber nicht mit dir.«
Seine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. Ich erschrak. Er wollte mich nicht sehen? Warum nicht? Hatte Arnold irgendwas zu ihm gesagt? Hatte irgendwer mein Treffen mit Dylan an der Victoria Station beobachtet?
Mein Herz begann wie wild zu klopfen. »Warum will er mich nicht sehen?«
Nicks zuckte schweigend die Achseln.
»Frag ihn bitte. Es dauert auch nicht lange.«
Doch der Muskelprotz rührte sich nicht von der Stelle. Ich spähte an ihm vorbei in den Flur. Die Bürotüren waren geschlossen. Versuchte ich, mich an ihm vorbeizudrängen, würde er mich aufhalten. Ich hatte keine Chance, an ihm vorbeizukommen, jedenfalls nicht jetzt.
Nicks sah mich herausfordernd an. Ich fragte mich, ob er mich die Treppe hinunterstoßen würde, wenn ich es versuchte.
Ich drehte mich um, ging aber nicht in die Umkleide, sondern in den Clubraum und suchte nach Fitz, konnte ihn aber nicht finden. Dann sah ich zu meiner großen Erleichterung Dylan, der von der öffentlichen Bar herunterkam. Er war wieder elegant gekleidet, frisch rasiert, makellos.
Er sah mich und zögerte, als wüsste er nicht, ob er mit mir reden sollte. Ich lächelte ihn ermutigend an, er lächelte zurück und warf dann einen kurzen Blick zur Überwachungskamera, die über unseren Köpfen hing.
Der Hinweis war eindeutig. Wir wurden beobachtet.
Ich ging zu ihm und sagte freundlich: »Ich möchte gerne mit Fitz reden, aber Nicks lässt mich nicht zu ihm. Könntest du Fitz fragen, wenn du ihn siehst?«
»Klar«, sagte er und mischte sich sofort wieder unter die Gruppe von Männern, die zur Bar liefen. Falls jemand unseren kurzen Wortwechsel beobachtet hatte, hätte er nichts Ungewöhnliches feststellen können.
Eine seltsame Unruhe ergriff von mir Besitz. Ich setzte mich ans hinterste Ende der Bar und tat, als würde ich mich nach Kunden umsehen, hoffte aber gleichzeitig, sie mir vom Leib halten zu können. Auf der anderen Seite entdeckte ich in einer VIP -Loge den Besitzer einer Immobilienkette, Stephen Penrose. Ich wusste, wer er war, weil ich vor Monaten einmal zufällig ein Interview mit ihm in der Financial Times gelesen hatte. Hier war er nur Steve, und nie hätte ich durchblicken lassen, dass ich wusste, wer er war. Er sah zu mir herüber und lächelte mich an.
Ich war an der Stange dran, doch seltsamerweise wurde ich nicht aufgerufen oder hatte es zumindest nicht gehört. Nicht nur der Gedanke an Dylans Geld ließ mir alles hier plötzlich unsäglich mühsam erscheinen. Seit Arnolds Übergriff gefiel es mir hier einfach nicht mehr. Die paar Leute, die ich erkannte oder sogar mochte und mit denen ich mich an den Wochenenden so gut amüsiert hatte, kamen mir nun böse, brutal, bedrohlich vor. Es ging nicht mehr, ich wollte weg.
Stephen Penrose war jemand, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte, der für meine Privattänze im Blauen Zimmer noch einmal das Doppelte drauflegte und immer regungslos mit einer Hand im Schritt dasaß wie ein kleiner Junge, der pinkeln muss. Jetzt lächelte er mir aufmunternd zu, doch sobald ich ihn direkt ansah, wandte er den Blick ab.
Unter normalen Umständen hätte er nicht warten müssen, ich wäre sofort zu ihm gegangen. Vermutlich dachte er, dass ich auf einen besseren Kunden wartete.
War er nicht einer von den Netten? Warum war ich nicht bei ihm, unterhielt mich
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