Wer Boeses saet
ermordet«, erklärte ihm die Ermittlerin. »Sie hatten kurz vor ihrem Tod Fotos mit ihr machen wollen. Daher bin ich gekommen, um Sie zu befragen.«
Einen Moment lang herrschte völliges Vakuum.
»Ermordet?«
»Abgeschlachtet. Wir haben nur noch Stücke gefunden. Das Gesicht wurde heruntergeschnitten.«
Der harte Bursche sah jetzt nicht mehr so cool aus.
»Soll das ein Witz sein?«
»Nicht wirklich. Wann wollten Sie Lucie treffen?«
»Sonntagnachmittag.«
»Erzählen Sie mir davon.«
Lorenzo fuhr sich nervös durchs Haar.
»Lucie ist – das heißt, sie war – eine totale Zicke. Sie wollte immer alles sofort. Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte, als ein Fotoshooting mit ihr zu veranstalten …«
»Wenn Sie bitte bei den Fakten bleiben würden.«
»Sie hatte mich am Samstagmorgen angerufen. Sie brauchte ein neues Modelbook.«
»Für ein Casting am Montagmorgen. Ich weiß. Hatten Sie sich bereit erklärt, sie zu fotografieren?«
Ein Nicken. Julia spürte einen Hauch von Zärtlichkeit darin.
»Ich mochte dieses kleine Luder. Ich habe eine Partie Karten mit Freunden abgesagt und ihr vorgeschlagen, am nächsten Tag um vierzehn Uhr vorbeizukommen.«
»Einfach nur, um nett zu sein? Das zu glauben fällt mir schwer.«
Das Lächeln des Don Juan verriet sein heimliches Einverständnis.
»Na ja, ab und zu steigen wir auch in die Kiste. Da ist noch keiner dran gestorben.«
»Bisher nicht. Erzählen Sie weiter.«
»Sie tauchte hier mit einer Dreiviertelstunde Verspätung auf. Ich war außer mir. Wir sind über die Bedingungen in Streit geraten und kamen auch nicht weiter.«
»Welche Bedingungen?«
»Meine Tarife …«
»Werden die Kosten nicht von der Agentur übernommen?«
»Nicht die für die Books. Dafür müssen die Models selbst in die Tasche greifen.«
Na also … Eine Agentur, ein Fotograf und die leichtgläubige Beute. Julia verstand jetzt besser, warum die Agentur sie um neue Fotos gebeten hatte.
»Was ist dann passiert?«
»Sie hatte keine Kohle. Da hat sie mir vorgeschlagen, mich in Naturalien zu bezahlen. Das habe ich abgelehnt. Ich sah nicht ein, warum ich für etwas zahlen sollte, was ich sonst gratis bekam.«
Logisch. Diesem Gedankengang lag ein gesunder Menschenverstand zugrunde. Lorenzo fuhr fort:
»Dann ist das Ganze eskaliert. Ich habe nicht nachgegeben. Schließlich ist sie türenknallend auf und davon.«
Julia fragte erstaunt:
»Und das ist alles?«
»Ja, sicher.«
Zurück auf Start. Die Polizistin rieb sich die Arme. Bei den winterlichen Temperaturen war ihr kalt bis ins Mark. In ihrem Kopf dagegen brodelte es:
Lucie hatte Jean-Louis Berthon am Sonntagabend angerufen, und ihm versichert, er werde am Montag, wie vereinbart, sein Book bekommen. Sie musste noch woanders nachgefragt haben. Das dürfte so kurzfristig nicht leicht gewesen sein. Zumal sie mit Galthier für siebzehn Uhr verabredet war. Wenn man für die Rückfahrt nach Châteaurenard dreißig Minuten rechnete, war es undenkbar, dazwischen noch eine Fotosession einzuschieben.
Der Ermittlungsbeamtin krampfte sich das Herz zusammen.
Danach. Die Jugendliche hatte das Fotoshooting für danach vereinbart. Nachtaufnahmen im Lauf des Abends. Das erklärte die drei Stunden, die in ihrem Terminplan noch ungeklärt waren. Deshalb war Lucie aus dem Haus gegangen. Aus keinem anderen Grund. Ganz sicher nicht wegen einer Hellseherin, die es nie gegeben hatte.
Danach, und erst danach, hatte der Mörder sie in die Falle gelockt.
Sie musste den Fotografen finden. Die letzte Person, die Lucie lebend gesehen hatte. Und zwar schnell. Jedenfalls vor François, der früher oder später dessen Namen auf der Liste der Telefonate sehen würde, die das junge Mädchen geführt hatte.
Und dann würde man beten müssen. Beten, dass dieser Zeuge sich an ein Detail erinnerte. An einen Telefonanruf, an ein Auto, das die junge Frau an einer Straßenecke erwartete, an einen Schatten, der in der dunklen Nacht herumirrte.
Es sei denn – aber Julia fiel es schwer, das zu glauben –, Fotograf und Mörder wären ein und dieselbe Person …
Sie schreckte hoch. Lorenzo hatte ihr die Hand auf den Arm gelegt.
»Was machen Sie da?«
»Ist alles in Ordnung?«, fragte der Fotograf besorgt.
»Ja, warum?«
»Ich weiß nicht. Sie sind ganz blass.«
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WeBabar.
Wie kamen sie nur auf solche Namen? Der Hinweis auf den Comic bewies zumindest eines. Das Internetgeschäft zog ewige Jungendliche an, Haribokonsumenten und Nostalgiker, die sich in den
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