Wer Braucht Schon Eine Gucci-Tasche
Ethan schützend den Arm um mich gelegt hatte.
»Was ist mit der Hochzeit?«, wollte ein anderer wissen. »Führt Althea die Braut zum Altar?« Gelächter brandete auf. Ich biss die Zähne zusammen.
»Miss Sevalas möchte nichts sagen«, erklärte Ethan und schob mich die Stufen hinauf und durch die Türen.
»Es tut mir sehr leid, Mr. McCay«, sagte ein dienstbeflissener Page neben uns. »Wir haben schon zweimal den Eingangsbereich räumen lassen, aber sie kommen immer wieder zurück.«
»Keine Sorge«, beruhigte Ethan den Mann freundlich. »Das lässt sich nun mal nicht vermeiden. Außerdem haben wir es ja geschafft, unbeschadet hereinzukommen.«
»Dank dir«, sagte ich, während wir die Lobby durchquerten und auf die Treppe zugingen. »Ich hoffe nur, Althea hat es geschafft, nicht die volle Breitseite abzubekommen.«
»Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich dich für deine Tante Partei ergreifen höre«, sagte er, als wir auf der Schwelle zum Wedgwood Room stehen blieben.
»Verrate es aber keinem«, erwiderte ich mit einem schiefen Grinsen.
Ethan lachte, und ich spürte, wie sich meine Stimmung augenblicklich hob. Zumindest im Moment lief alles prächtig. Ich war den Paparazzi entkommen, hatte eine beinahe sichere Zusage von Philip DuBois in der Tasche, und ich war Gast bei der Verlobungsparty eines der begehrtesten Junggesellen von Manhattan.
Nicht dass ich das Schicksal herausfordern wollte.
Wir arbeiteten uns zur Bar vor, und während Ethan uns etwas bestellte, gestattete ich mir den Luxus, den Blick über die Anwesenden schweifen zu lassen. Die Gästeliste las sich wie das Who is Who der New Yorker Gesellschaft – die Aufstrebenden scharten sich bewundernd um jene, die es bereits geschafft hatten, während sich die von Geburt an Privilegierten diskret in kleinen Grüppchen zusammenfanden, sorgsam darauf bedacht, unter sich zu bleiben. Eine Gesellschaft im Miniaturformat, ein Mikrokosmos, vereint und versammelt in zartblauem Wedgwood-Charme.
Dem der Raum selbstverständlich seinen Namen verdankt – mit seinen zartblau gestrichenen Wänden mit den weißen Accessoires und den strategisch geschickt platzierten Spiegeln erinnert er an den Glanz längst vergangener Tage. Anstelle der üppigen Pracht des Großen Ballsaals wohnt diesem Raum eine verführerische Wärme inne, die ihn perfekt für eine intimere Party macht. Es ist fast, als befände man sich inmitten einer von Josiah Wedgwoods Jasperware-Kreationen.
Rund zweihundert Mitglieder aus Vanessas und Marks Freundes- und Familienkreis hatten sich eingefunden – wenn auch der Großteil von ihnen mit der Absicht, zu sehen und gesehen zu werden. In der Manhattaner Gesellschaft ist selbst eine Verlobung ein Publikumssport. Besonders wenn man die Umstände besagter Verlobung bedachte.
In der Mitte des Raums standen Tische mit köstlichen Leckereien, in den Ecken befanden sich mehrere Bars, und eine Champagnerquelle sprudelte an der hinteren Wand. Unter einem Spiegel schräg gegenüber stand ein geschnitzter Mahagonitisch, der sich unter zahllosen Geschenkpaketen bog, viele davon im typischen Tiffany-Blau. (Darunter aller Wahrscheinlichkeit nach auch meines – ein unfassbar teurer und absolut hinreißender Martini-Krug. Schon als ich ihn im Schaufenster des Antiquitätenladens gesehen hatte, war mir klar gewesen, dass er perfekt für die beiden war.)
»Da drüben sehe ich meinen Großvater«, riss Ethan mich aus meinen Träumereien und reichte mir einen Drink. »Komm mit, ich stelle dich ihm vor.«
Insgeheim freute ich mich darüber, doch mir war klar, dass man seine Begeisterung über eine Demonstration der Zusammengehörigkeit tunlichst im Zaum halten sollte. Also nickte ich nur, hakte mich bei ihm unter und folgte ihm durch den Raum zu Walter Mathias, dem Patriarchen von Ethans Familie. Obwohl Walter seine besten Jahre hinter sich hatte, war er noch immer ein eindrucksvoller Mann mit einem dichten Schopf weißer Haare und einem unerwartet verschmitzten Funkeln in den blauen Augen.
»Andi, das ist mein Großvater.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte Walter und schloss beide Hände um meine Finger. »Wie ich höre, halten Sie meinen Enkelsohn gehörig auf Trab. Im Büro herrscht immer noch helle Aufregung über Ihren Auftritt.«
»Scheint, als hätte ich voreilige Schlüsse gezogen.« Ich blickte zu Boden. »Dazu neige ich manchmal wohl.«
»Tja, nach allem was ich höre, hatten Sie einen guten Grund, böse zu werden.«
»Das
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