Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)
küssten. Für den Anfang suchten wir uns ein ungefährliches Thema und plauderten über die Arbeit. Sie arbeitete am Wirtschaftsministerium, wo sie für internationale Programme zuständig war. Dann stellte sie mir Fragen zu meinem Jahr der Angst, und ich erzählte ein paar von meinen neueren Abenteuern. Einmal streckte sie kurz die Hand aus und fuhr Josh über die Haare. Haare, die ich vor zehn Jahren gestreichelt hatte und jetzt nie wieder streicheln würde, Haare, die sich von mir entfernt hatten. Die Intimität der Geste traf mich völlig unvorbereitet, und mein Magen zog sich ein wenig zusammen. Dann war es wieder vorbei. Ich begann mich gerade ein wenig zu entspannen, als es klopfte. Bevor irgendjemand etwas sagen konnte, kam eine große Frau mit dunklen Locken ins Zimmer gesprungen. »Noelle, das ist unsere Freundin Trouble«, stellte Josh vor. »Sie geht heute Abend mit uns feiern.«
Wenig später standen wir in einer lebhaften Bar in Georgetown namens Mr. Smith’s. Ein paar von Joshs Collegefreunden kamen dazu, und jeder schmiss eine Runde. Das Mr. Smith’s hatte einen begnadeten Klavierspieler, der allerdings nicht besonders gut sang, aber das war auch egal, weil ihn die Stammkunden sowieso zu übertönen versuchten.
»Sweeet Caroliiiine! Buh-buh-buh! Good times never seemed so good. So good! So good! So good!«, schmetterten wir und reckten die Fäuste in die Luft.
»Diese Runde geht auf mich«, rief ich. »Wer möchte Whisky?« Josh und Trouble hoben die Hand, während Mo-Mo bei ihrem Wodka-Cranberry blieb. Wir kippten unsere Whiskys, dann donnerte Josh sein Glas auf den Tresen, legte sein Gesicht zwischen Troubles ansehnliche Brüste und schüttelte den Kopf, während er mit den Lippen ein vibrierendes Geräusch machte – wie ein Motorboot. Trouble stieß ein wildes Geheul aus. Ich warf einen entsetzten Blick zu Mo-Mo, aber sie lachte herzlich.
Okay. Jetzt wusste ich auch wieder, warum aus uns beiden nichts geworden war.
Wir gingen, nachdem Trouble rausgeschmissen wurde, weil sie die Hand in den Deckenventilator gesteckt und ihn beinahe kaputtgemacht hatte. Dann zogen wir weiter in einen Club, in dem Josh sofort mit einer Gruppe Afroamerikanerinnen mittleren Alters zu flirten begann. Bald waren sie alle auf der Tanzfläche, und er stand hinter einer und tat so, als würde er ihr den Hintern versohlen. Mo-Mo sah amüsiert zu und machte ab und zu einen Schnappschuss mit ihrem Handy. Ich entschuldigte mich und ging zur Toilette. Als ich zurückkam, waren Josh, Mo-Mo und der Rest unserer Truppe auf die Tanzfläche verschwunden. Ich kletterte auf eine Plattform, auf der ein Grüppchen kichernder Studentinnen stand, und entdeckte Monique. Sie war von ein paar Studenten umzingelt, und einer von ihnen tanzte sie ziemlich aggressiv von hinten an. Ich ließ meinen Blick über die Menge schweifen und suchte nach Josh. Der legte gerade einen Breakdance aufs Parkett und ließ sich dabei von den Frauen von vorhin anfeuern. Irgendwie erwachte mein Beschützerinstinkt für Monique – hier war eine Rettungsaktion angesagt. Ich sprang von der Plattform und tanzte mich zu ihr durch.
»Hey, Mädel«, rief ich und warf meine Arme um Mo-Mo, wobei ich mich zwischen sie und den Typen drängte. Sie warf mir einen erleichterten Blick zu.
»Jaaa!«, rief der Typ, denn jetzt dachte er, dass er zwei Mädels zum Antanzen hatte. Er packte mich bei den Hüften und rieb sein Becken an meinem Hintern. Perfekt. Ich begann mein Becken so wild zu bewegen, dass ich ihn ein paar Meter von mir stieß.
»Hallo!«, rief er und wusste nicht recht, was er davon halten sollte. »Du hast ja ganz schön Temperament.«
Er versuchte noch mehrere Male, sich hinter mich zu manövrieren, aber ich bewegte mein Becken jedes Mal so heftig nach hinten, dass er abprallte. Als er versuchte, sich an mir vorbeizuschummeln und sein Glück wieder bei Monique zu versuchen, ging ich zur nächsten Taktik über. Ich bewegte die Arme enthusiastisch zum Rhythmus der Musik und verteilte dabei Hiebe in alle Richtungen. Die Jungs wichen erschrocken zurück. Nach ein paar Minuten merkten sie, dass sie hier keinen Blumentopf mehr gewinnen würden, und verschwanden in der Menge.
Mo-Mo lächelte mich an. »Das war super!«
Als wir um drei Uhr morgens heimkamen, machte Mo-Mo mir das Schlafsofa zurecht und sorgte dafür, dass ich ein Glas Wasser für die Nacht und genug Decken hatte. Ich nahm einen Schluck Wasser und schluckte meine Schlaftablette. In der Sekunde,
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