Wer nichts riskiert, verpasst das Leben: Wie ich 365 Mal meine Angst überwand (German Edition)
mir bitte nicht mit ›Nicht bewegen, nicht bewegen‹. Wir reden hier nicht von einem Bienenstich, wir reden von einem Bandenmord.«
Ich konnte Chris’ markantes Gelächter aus dem Klatschen und den Beifallsrufen heraushören. Ich legte eine Pause ein und zählte innerlich bis drei. Mark Anthony hatte mir gesagt, das sei eine gute Art, um den Zuschauern zu signalisieren, dass ich zu einem neuen Thema überging.
Ich atmete tief durch und überlegte kurz, ob ich mit meinem nächsten Gag nicht die Zuschauer total pikieren würde. »Also, ich muss sagen, ich hab überhaupt nichts für Blowjobs übrig …«
Das Gelächter traf mich mit Orkanstärke, bevor ich auch nur zur Pointe kommen konnte. Das kam so überraschend, dass ich fast einen Schritt rückwärts machte. Das Gelächter war eine Mischung aus Überraschung von männlicher Seite und bewundernder Identifikation von den Frauen. Als sich alle wieder beruhigt hatten, setzte ich noch einmal neu an.
»Ich hab nichts für Blowjobs übrig, aus demselben Grund, aus dem ich es auch nicht mag, wenn mir die Leute Erbrochenes in den Mund schießen.«
Diesmal fiel die Reaktion noch lauter aus. Der Raum kam geradezu in Wallung. Verblüfft sah ich, dass die Leute sich richtig krümmten vor Lachen. Ich stemmte eine Hand in die Hüfte, bedachte die Zuhörer mit einem kecken Halblächeln, und sie jubelten mir zu. Dann fiel mein Blick auf die erste Reihe, und mein Lächeln kam ins Wanken. Die Eltern musterten mich mit zusammengezogenen Brauen, einer zog sogar eine angeekelte Grimasse. Die hatte ich offenbar nach dem Bienenwitz verloren. Egal, mach weiter , ermahnte ich mich.
»Blowjobs sind der Grund, warum Mädchen überhaupt erst anfangen, Sex zu haben. Für uns ist das mehr eine Durchgangsstation zu anderen sexuellen Aktivitäten.« Ich beugte mich über das Mikro, als wäre es ein Penis, und hielt mir mit einer Hand die Haare aus dem Gesicht. »Irgendwann beim dritten Mal oder so ist es dann so weit, dann halten wir inne und denken uns: ›Mann, das ist doch voll der Scheiß hier!‹« Ich wedelte mit dem Mikro-Penis und fuhr fort: »Ich weiß noch eine Stelle, wo ich mir das reinstecken kann, und dabei kann ich sogar noch atmen – und fernsehen.«
Die Leute heulten vor Lachen. Sie heulten! Ich lief auf der Bühne hin und her und interagierte voll mit dem Publikum.
»Meine High-School-Freundinnen und ich verloren unsere Jungfräulichkeit alle ungefähr zur selben Zeit – wir waren eben Mitläufer und Schlampen.« Lautes Gegacker. »Und natürlich haben wir hinterher drüber geredet, denn Mädchen reden ja über alles. Meine Freundinnen sagten: ›Oh Gott, das hat so was von wehgetan! Fandest du nicht?‹ Und ich weiß noch, wie ich damals dachte: ›Wehgetan? Echt? Na ja, könnte ich jetzt nicht gerade behaupten.‹« Ich machte eine kurze Pause, dann fügte ich nachdenklich hinzu: »Na ja, andererseits hat mein Onkel schon einen ziemlich kleinen Schwanz. Vielleicht hatte es ja auch damit zu tun.«
Der Inzestwitz ließ ein paar Leute in der ersten Reihe schockiert nach Luft schnappen, aber die wurden rasch übertönt vom Gelächter der restlichen Zuschauer. Wenn ein paar Leute einen lieben sollen, müssen einen ein paar andere eben auch hassen – das liegt in der Natur so eines Auftritts.
Abgesehen von der ersten Reihe lachte auch jeder über den Jenna-Jameson-Witz, wie ich geahnt hatte. Während die Leute sich schieflachten, griff ich in die Tasche und holte mein Sicherheitsnetz hervor – mein getipptes Skript. Mein Schlusswitz war ziemlich lang, und es war sehr wahrscheinlich, dass ich den einen oder anderen Satz verpfuschte. Ich starrte ein paar Sekunden aufs Papier und überlegte. Bis jetzt hatte alles tadellos geklappt. Wenn ich diesen letzten Teil jetzt ablas, konnte ich sicher sein, dass der Rest auch noch perfekt lief. Ich begann den Zettel auseinanderzufalten.
Nein .
Kurz entschlossen stopfte ich die Zettel zurück in die Tasche.
»Zum Schluss möchte ich Ihnen noch mein abgefahrenstes Erlebnis aus der U-Bahn erzählen. Und die Geschichte ist wahr von Anfang bis Ende, so was Krankes könnte ich mir gar nicht ausdenken. Also, eines Abends stehe ich an der Haltestelle und warte auf die U-Bahn. Als sie anhält, ist der Wagen direkt vor mir völlig leer. Das hätte mir eigentlich schon sagen sollen, dass da was nicht stimmt, denn so was passiert einem in New York sonst nie. Ich steige in den Wagen, und es stinkt nach Fäkalien.« Die New Yorker im Saal
Weitere Kostenlose Bücher