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Wer Schuld War

Titel: Wer Schuld War Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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vergesslich ist, und dass
     diese Eigenschaften für jemanden, der so organisiert ist wie Manuel, ein Problem sein müssen.
    Sie ist auch egozentrisch.
    Wozu brauchst du eigentlich einen Mann? Nur damit jemand da ist, wenn du nach Hause kommst?
    Sie will eine enge Beziehung, aber auch wieder nicht zueng. Sie will abends nach Hause kommen und sich direkt ins Schlafzimmer vor den Fernseher begeben. Tatsächlich ist sie nicht
     immer nett genug gewesen, manchmal sogar das Gegenteil davon, und nun tut ihr jedes böse Wort, jede unangemessen ironische
     Bemerkung wahnsinnig leid, furchtbar, tränentreibend leid, und sie würde am liebsten alles davon zurücknehmen, wenn Manuel
     ihr nur diese eine Chance geben würde.
     
    Die Katzen streichen ihr um die Beine, keineswegs satt, und Barbara kniet sich hin, legt die Arme um sie und vergräbt ihre
     Nase in ihrem Fell, hört das tiefe Schnurren direkt neben ihren Ohren, ein warmes, sinnliches, beruhigendes Geräusch, und
     öffnet ihnen zum Dank eine Dose Thunfisch, worauf sich beide stürzen, als wäre das seit Wochen ihre erste Mahlzeit. Während
     Barbara darauf achtet, dass Mops Bär nichts wegfrisst, denn das tut er, sobald man nicht aufpasst, woraus man schließen kann,
     dass Katzen auch nicht besser sind als Menschen. Auf diese Erkenntnis hin schenkt sie sich ein Glas Rotwein ein und raucht
     weiter, die neunte oder zehnte an diesem Tag, ab einer bestimmten Menge kann man genauso gut aufhören zu zählen.
    Stattdessen wandern ihre Gedanken ziellos herum, verweilen mal hier, mal da, träge geworden durch den Alkohol, und landen
     schließlich wieder dort, wo sie sich in aller Ruhe im Kreis drehen können, also an welcher Art Krebs sie vermutlich verenden
     wird, Niere, Blase, Lunge oder Magen, warum Manuel sie nicht mehr liebt, und ob er sie eines Tages wieder lieben wird, oder
     ob das unmöglich ist, ob Liebe sich entfernen und wieder einstellen kann so wie Ebbe und Flut, oder ob sie sich zwangsläufig
     und unwiderruflich nach mehr oder weniger langer Zeit erschöpft, ob sie ihrer Natur nach endlich ist, dazu bestimmt, erst
     zuwachsen, dann zu erodieren, ob jede Liebe irgendwann alt und gebrechlich wird, an Spannkraft und Geschmeidigkeit verliert.
     Wenn das so wäre, wären ihre Charakterfehler nicht der ausschlaggebende Grund für ihre Entfremdung, überlegt sie nicht zum
     ersten Mal, und auch diesmal bringen diese Überlegungen nichts. Aber sie kann sie trotzdem nicht abstellen, kniet sich stattdessen
     hinein, denn etwas an dieser bevorstehenden Trennung muss aus irgendwelchen Gründen immer wieder und wieder aus allen Richtungen
     beleuchtet werden. Zum Beispiel der Verdacht, dass Manuels berufliche Krise gar nichts mit seinem Verhalten zu tun hat, dass
     das alles nur vorgeschobene Anlässe sind, und der echte Grund ist, dass ihm Barbara nicht mehr gefällt. Was wiederum die Frage
     aufwirft, weshalb ausgerechnet diese Mutmaßung am schwersten auszuhalten ist.
    Barbara raucht und betrachtet sich in ihrem Taschenspiegel. Manuel hat sich freundlicherweise nie über ihr Aussehen beschwert,
     ihr allerdings auch selten Komplimente gemacht, und wenn doch, war es eher von der Sorte
Heute siehst du ja richtig süß aus
, deren überraschter Unterton immer implizierte, dass dieses Heute eher erfreulicher Ausnahmezustand als angenehme Regel war.
     Und schon ist sie wieder beim Drama ihres Lebens angelangt, der Tatsache, dass sie in jeder Beziehung immer nur so tut als
     ob. Als ob sie hübsch wäre, als ob sie kompetent wäre, als ob sie stark wäre.
    Sie drückt die Zigarette aus, leert den Aschenbecher in den Müll und wedelt mit der Balkontür hin und her, um den Luftaustausch
     zu beschleunigen. Schon wieder hat sie sich eines gebrochenen Versprechens schuldig gemacht, und natürlich wird Manuel den
     Rauch später trotzdem riechen. Seit seiner Abstinenz ist seine Nase so unglaublich fein, dass ihn jeder Hundehaufen im Umkreis
     vonzehn Metern auf die Palme bringt, und er sich mittlerweile schon aufregt, wenn jemand im Lokal drei Tische weiter eine Kohlsuppe
     bestellt.
    Draußen ist es mild für die Jahreszeit, aber Barbara fröstelt trotzdem, würde am liebsten die Heizung anstellen, lässt es
     aber bleiben, sieht auf die Uhr, die halb zehn zeigt. Keine Ausrede dafür, dass sie nun schon wieder versucht, Manuel zu erreichen,
     der sich von ihr nicht erreichen lassen will, und schon hat sich der Alkohol verflüchtigt und einem umfassenden Stimmungstief
     Platz

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