Wie Blueten Am Fluss
Vorbereitungen für ihr Bad, goß drei Eimer heißes Wasser in
die Wanne und holte zwei weitere vom Brunnen herein. Nach Andrews Mittagsschläfchen hatte sie
ihm auf der Veranda eine Weile vorgelesen und dann später, während sie ihm beim Spielen zusah, die
frisch gewaschene Wäsche zusammengefaltet. Sie hatte alles in einem Korb aufgestapelt, die
Handtücher obenauf gelegt, aber in ihrer Eile, sich um das Abendessen zu kümmern und Andrew
vorher zu baden, hatte sie den Korb dann neben ihrem Stuhl auf der Veranda stehengelassen. Während
sie nun den letzten Kübel Wasser in die Hütte schleppte, trug sie mit der anderen Hand den Bastkorb
und stellte ihn auf Gages Stuhl, bevor sie das Wasser in den Zuber kippte und die Tür zum provisorischen Badezimmer
schloß.
Nur wenige Sekunden später ließ Shemaine sich mit einem wohligen Seufzer in das dampfende
Wasser sinken. Es war weder ein besonders schöner Zuber, noch standen ihr die feinsten Seifen zur
Verfügung, aber sie genoß das Bad, als würden ihr die Dienstmägde des Königshofs aufwarten. In der
Tat blieb sie so lange in der Wanne sitzen, bis die Haut an ihren Fingern und Zehen zu schrumpeln
begann und das Wasser entschieden zu kühl wurde. Erst da zog sie es überhaupt in Erwägung, ihr Bad
zu beenden.
Shemaine stand im Zuber auf und griff nach einem Handtuch. Mühelos bekam sie eine Ecke des Stoffs
zu fassen, zog ihn dann schwungvoll aus dem Korb und bemerkte sogleich, daß das Leinen seltsam
schwer war. In der nächsten Sekunde ließ ihr eisiges Entsetzen das Blut in den Adern gerinnen. Mit
einem erschrockenen Keuchen betrachtete sie die große Schlange, die vor ihr zu Boden geglitten war.
Das Tier begann auch sofort zu zischen und sich zu winden, während es sich hoch aufrichtete. Es hielt
seinen Blick drohend auf die junge Frau gerichtet, und die Zunge schoß in erregten Stößen aus dem
zahnbewehrten Maul hervor. Das Reptil zischte wie zur Warnung, hob den knotigen Schwanz und
begann ihn mit einem seltsam rasselnden Geräusch zu schütteln.
Einen Augenblick später schoß der Schlangenkopf nach vorne. Shemaine schrak mit einem schrillen
Angstschrei zurück und stolperte rücklings aus dem Zuber. Dann hörte sie ein Geräusch, das so klang,
als sei in der Küche ein Stuhl umgeworfen worden, und einen Herzschlag später Schritte, die der Tür
zueilten. Gage rief laut ihren Namen, aber sie hatte keine Zeit, zu antworten, denn die Schlange schoß abermals auf sie zu, und abermals schrie sie auf. Das Handtuch an die Brust gepreßt, taumelte Shemaine genau in dem Augenblick gegen den Zeichentisch, als die Küchentür weit aufgerissen
wurde.
Die Schlange, deren gesamter Jagdinstinkt erwacht war und die nur noch Beute im Sinn hatte, war um
den Badezuber herumgeglitten und befand sich gerade in der Nähe der Tür, als diese geöffnet wurde.
Das Reptil wandte sich abrupt um und ließ, als der
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Mann durch die Tür trat, den Kopf nach vorn schnellen, aber Gage brachte sich mit einem
geistesgegenwärtigen Sprung in Sicherheit und rannte, ohne zu zögern, zum Lagerraum. Als er
zurückkehrte, hielt er ein langes, gefährlich wirkendes Messer in der Hand. Die Viper beäugte ihn
wachsam und lauerte auf eine Chance, ihre Giftzähne in sein Fleisch zu senken. Gage wich einem
neuerlichen Angriff aus, und als die Schlange zurückzuckte, war er bereit. Mit einem blitzartigen
Schritt nach vorn ließ er die breite Klinge herunterschnellen und trieb seine Waffe durch den Schädel
der Schlange, so daß der teilweise abgetrennte Kopf am Boden festgeheftet wurde.
Schaudernd umklammerte Shemaine das mittlerweile feuchte Handtuch und beobachtete das bizarre
Zucken des Schlangenleibes in seinen Todeskrämpfen. Gage öffnete die Hintertür, schob die flache
Seite des Messers unter den verstümmelten Kopf der Schlange und umfaßte mit der anderen Hand den
schuppigen Rumpf in der Nähe des Schwanzes. Dann hob er das Reptil vom Boden auf und trug es
hinaus auf die Veranda.
Shemaine sank schwach vor Erleichterung und immer noch zitternd gegen den Schreibtisch. Es
verstrich ein langer Augenblick, bevor ihr der Gedanke kam, daß im Korb noch eine weitere Schlange
lauern könnte. Sie hatte keine Ahnung, ob Reptilien die Neigung hatten, sich zu mehreren
zusammenzutun. Andererseits hätte eine weitere Schlange ihre Gegenwart mittlerweile gewiß
kundgetan.
Shemaine atmete mit einem langen, befreiten Seufzer aus. Sie war jetzt in Sicherheit,
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