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Wie ein Stein im Geroell

Wie ein Stein im Geroell

Titel: Wie ein Stein im Geroell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Barbal
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sollte, aber Jaume strömte über vor lauter Freude, und das war ansteckend. Er zog mich auf die Straße, wo die Leute zusammenstanden, um darüber zu reden. Es war noch recht kühl, doch der Frühling tat sich mit einer traumhaften Sonne hervor. Ich war wie geblendet von soviel Licht und ganz durcheinander von all den Stimmen, die immer wieder nur ein einziges Wort wiederholten: Republik!
    Es hieß, am Nachmittag käme jemand aus Montsent hoch zu uns in die Schule, um zu erklären, was es mit dieser Veränderung auf sich habe. Am nächsten Morgen erzählte mir dann die Tante, daß die Augustís sie fast überrannt hätten. Fluchend und wutentbrannt seien sie aus dem Klassenraum gestürmt. Sie selbst hatte gerade noch sehen können, wie Jaume mit dem Bildnis des Königs in der Hand von einem Tisch heruntersprang. An der Wand war nur ein heller Fleck zurückgeblieben und der Nagel.

I m Frühling und im Herbst, wenn es genug geregnet und die Sonne die Erde wieder erwärmt hat, sprießen auf den Wiesen wie in Reih und Glied zwei Sorten eßbarer Pilze hervor. Die einen sind erdfarben und wirken ziemlich zerbrechlich mit ihrem langen geraden Stiel und einem Regenschirmhütchen, das von unten aussieht wie ein dickes Buch mit vielen Blättern. Die anderen sind weiß, und auf den ersten Blick kommen sie einem ganz plattgedrückt vor; ihr Stiel ist kurz und dick, und die Lamellen sind bräunlich. Frische Röhrlinge und Mairitterlinge sind sehr begehrt, aber beide Sorten lassen sich in Sieben auch gut trocknen, und dann hat man eine wertvolle Reserve für den Winter. Getrocknet verlieren sie zwar viel von ihrem Duft und ihrem Gewicht, doch eine kleine Handvoll reicht schon aus, um dem Reis oder irgendeinem Eintopfgericht mit Kaninchen, Huhn oder einem anderen Fleisch einen köstlichen Geschmack zu geben.
    Sie wuchsen auf den Wiesen in der Nähe des Dorfes, vor allem die Röhrlinge, wenn auch nicht gerade in großer Menge. Brachten wir das Vieh auf die Weide oder waren damit beschäftigt, die Felder zu bewässern, dann nutzte jeder die Gelegenheit, auf seinen eigenen Wiesen nach Pilzen zu suchen. Wollte man aber einen Vorrat für das ganze Jahr anlegen, dann mußte man schon einen Tag lang auf die Suche gehen.
    Es war eine ziemlich große Schar von Frauen aus Pallarès, die in jenem Mai 1931 aufbrach, um in den Bergen nach Röhrlingen und Mairitterlingen zu suchen. Unterwegs schlossen sich uns noch die Schwägerin von Jaume an, Agnès,und zwei oder drei andere junge Frauen aus Sarri. Jaume hatte ihnen Bescheid gegeben, daß wir am Mittwoch losziehen wollten. Wir waren bestimmt zehn oder elf Frauen.
    Ich traf mich vorher schon mit Delina, und jede von uns hatte zwei Körbe dabei. Ob wir sie wohl füllen würden? Im kleinen Korb trugen wir unsere Vesper. Brot mit Schinken. Wasser würden wir unterwegs genug finden.
    Bei Tagesanbruch machten wir uns auf den Weg und waren am Anfang so aufgeregt wie kleine Mädchen. Endlich hatten wir Zeit genug zum Reden, aber als es dann so richtig bergauf ging, sagte keine mehr auch nur ein Wort, um nicht außer Atem zu kommen.
    Dieser Ausflug gefiel mir gut, denn wie ich so inmitten der Wiesen dem dunklen Gras der schmalen Pfade folgte, da spürte ich nichts anderes als diese fast kindliche Vorfreude, lichte Stellen voller Pilze zu finden und rasch meinen Korb zu füllen. Der Weg war beschwerlich, aber nach dem steilen Anstieg ging es hinterher ja nur noch bergab, und das war leicht zu schaffen. Von oben schienen all die kleinen Dörfer mit ihren schwarzen Dächern zum Greifen nah, hier und da stieg Rauch aus einem Schornstein, wie um zu zeigen, daß dort jemand lebt. Mit glühenden Wangen und schweißkaltem Hals legten wir eine Rast ein, bevor wir uns so richtig auf die Suche nach den köstlichen Pilzen machten. Wer wollte schon das Festtagsragout auf den Tisch bringen, ohne dazu eine schmackhafte Soße aus Röhrlingen zu reichen? Besonders feine Gaumen bevorzugten allerdings die Mairitterlinge, die man unter das Rührei mischte, weil sie so zart waren.
    Elvira wäre gerne mit uns gegangen, aber ich wollte lieber, daß sie im Haus half. Sie war schon eine richtige kleine Frau und hatte ein sanftmütiges Wesen, wenn da nur nicht ihre schlimme Eifersucht gewesen wäre. Ich sprach mit Delina darüber und war sehr erschrocken über das, was sie mir erzählte. Sie hatte nämlich gehört, wie vor Angeletas Geburt ein paar Frauen, die auf dem Dorfplatz einen kleinen Schwatz hielten, die Sebastiana,

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