Wie Rosenblätter im Wind: Mittsommerhochzeit (German Edition)
den Tisch gestellt hatte, lehnte Milla sich seufzend zurück. “Wissen Sie, es ist ja kein Geheimnis. Mårten und ich hatten vor vielen Jahren einmal eine kurze Affäre miteinander. Das Ganze dauerte ungefähr ein halbes Jahr, danach trennten sich unsere Wege.”
“Warum?” Thorbjörn nahm die Pfanne vom Herd und setzte sich Milla gegenüber an den Tisch. “Vielleicht ist meine Frage zu aufdringlich, aber ich meine, Sie beide geben doch ein hübsches Paar ab.”
Ja, dachte Milla mit einer Traurigkeit, die sie selbst überraschte, das habe ich früher auch gedacht. Und ich wäre bereit gewesen, den Rest meines Lebens mit ihm zu teilen, wenn er mich nicht so furchtbar enttäuscht hätte.
Ihr war erst klar geworden, wie lange sie schon davon träumte, eine große glückliche Familie mit Mårten zu gründen, als sie erfahren hatte, dass sie schwanger war. Damals sah sie ihre Zukunft bereits vor sich: drei Kinder oder mehr, ein Haus im Grünen, umgeben von einem weißen Gartenzaun, ein wuscheliger Mischlingshund.
Doch alles kam ganz anders.
Sie zwang sich, ihre Gedanken wieder in die Gegenwart zu lenken. Die Vergangenheit lag hinter ihr. Was jetzt zählte, war einzig und allein die Zukunft. Und wenn sie nicht bald damit anfing, ihren Plan ein wenig energischer zu verfolgen, konnte sie den Traum, mit Janna im nächsten Jahr nach England zu gehen, gleich aufgeben.
“Es hat einfach nicht funktioniert”, antwortete sie schließlich ausweichend. “Mårten und ich sind zu verschieden. Wir passten nicht zueinander.”
“Schade”, entgegnete der alte Matrose. “Ich hoffe, Sie nehmen mir meine Forschheit nicht übel, aber ich finde, Sie sind eine bodenständige Person.”
Sein Kompliment brachte Milla zum Lachen. “So hat mich allerdings noch nie jemand genannt.”
Thorbjörns Gesicht überzog sich mit einer leichten Röte. “Ich meinte damit, dass Sie auf mich einen sehr vernünftigen Eindruck machen. Außerdem sind Sie jung und hübsch, und ich wette zehn Kronen darauf, dass Sie auch eine gute Zuhörerin sind.” Er seufzte. “Jemanden wie Sie hätte Mårten damals brauchen können, als …” Er verstummte abrupt und merkte offenbar erst jetzt, dass er bereits zu viel gesagt hatte.
Doch Millas Neugier war geweckt. “Was ist Mårten zugestoßen?”, fragte sie geradeheraus. “Er hat sich verändert, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen habe. Was ist mit ihm passiert?”
“Es ist nichts”, wiegelte er ab, stand auf und drehte ihr den Rücken zu. Offensichtlich versuchte er, etwas vor ihr zu verbergen. Aber was?
“Bitte, Thorbjörn, es geht mir nicht darum, irgendwelche Familiengeheimnisse zu erfahren. Ich möchte nur verstehen, was mit Mårten los ist. Er ist nicht der Mann, den ich früher einmal kannte.”
“Er hat viel durchgemacht”, entgegnete Thorbjörn leise. “Manch einer wäre daran zugrunde gegangen, doch ihn hat es nur härter gemacht. Er …”
“God morgon!”
, erklang plötzlich Mårtens Stimme im Türrahmen. “Ist das Frühstück schon fertig?”
Ohne ihn anzusehen, verteilte Thorbjörn eine große Portion Pfannkuchen auf zwei Teller, füllte eine weitere Tasse Kaffee und stellte beides vor Mårten und Milla auf den Tisch. Dann murmelte er eine Entschuldigung und verließ beinahe fluchtartig die Küche.
“Was ist denn mit dem los?”, fragte Mårten irritiert.
Milla zwang sich zu einem Lächeln und zuckte mit den Schultern, obgleich sie sehr wohl wusste, was in diesem Moment in dem alten Mann vorgehen musste. Wahrscheinlich machte er sich die schwersten Vorwürfe, weil er das Geheimnis seines Freunds beinahe preisgegeben hätte.
Doch das konnte sie schlecht sagen, denn sie wollte weder Thorbjörn schaden noch bei Mårten den Eindruck erwecken, dass sie in seiner Vergangenheit herumschnüffelte. Stattdessen fragte sie: “Möchtest du Milch zu deinem Kaffee?”
“Nein”, antwortete er. “Ich trinke ihn schwarz. Wie früher.”
Wie früher. Milla nickte. Auch sie trank ihren Kaffee schwarz, trat jetzt aber trotzdem an die Küchenanrichte – einfach, um Mårten nicht ansehen zu müssen. Sie fürchtete, dass er ihr schlechtes Gewissen sofort bemerken würde.
Am späten Vormittag saß Milla auf ihrem Bett im Gästezimmer der alten Mühle und versuchte, ihre Gedanken auf das Buch zu lenken, das sie im Salon auf einem Regal entdeckt hatte. Dass sie sich nur sehr schwer auf die Handlung des Romans konzentrieren konnte, lag gewiss nicht an den Fähigkeiten der Autorin,
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