Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen
Hauptstadt verleibte sich die Vorstädte mehr und mehr ein, und die Kirche befand sich nun am äußersten Rand des Quartier Saint-Dénis , ganz in der Nähe des Befestigungsgürtels, den Louis XIII. hatte errichten lassen.
»Ich bin noch immer ein treuer Diener der Schwarzen Kralle«, betonte Laincourt mit fester, ruhiger Stimme. »Meine Loyalität ist ungebrochen.«
»Erlaubt, dass ich meinen Zweifel daran kundtue. Eure Freilassung spricht nicht gerade für Euch. Sonst wärt Ihr zur Stunde wohl noch in Vincennes und müsstet schwere Folter erdulden. Aber Ihr seid frei, obwohl man Euch des Verrats überführt hat. Ihr müsst zugeben, dass die außergewöhnliche Milde, die der Kardinal Euch gegenüber walten lässt, zumindest Verdacht erregt …«
Mit einem konzilianten Schulterzucken machte Laincourt deutlich, dass er die Vorbehalte des Marquis verstand, und erklärte: »Ich bin im Besitz eines Dokuments, das mich schützt und dessen Bekanntmachung der Kardinal fürchtet.«
Erstaunt runzelte Gagnière die Stirn. Dann sagte er fast amüsiert: »Ein Dokument also, das Ihr uns vorenthalten habt. Das nenne ich Loyalität!«
»Ich bin loyal, aber umsichtig«, sagte Laincourt ungerührt. »Ich wusste, dass der Tag kommen würde, an dem es mir nützlich sein würde.«
Dieses Argument musste der Marquis gelten lassen, denn wie es aussah, war dieser Zeitpunkt nun da.
»Nun gut. Was ist das für ein Dokument?«
»Es handelt sich um eine Liste der Spitzel Frankreichs am spanischen Hofe. Sie befindet sich in sicheren Händen
und wird veröffentlicht, gebe ich zu lange kein Lebenszeichen von mir. Der Kardinal hatte keine Wahl. Also sind er und ich übereingekommen, dass die Liste geheim bleibt, solange ich frei und am Leben bin.«
»Wenn Ihr glaubt, Richelieu wird sich lange mit dieser Abmachung zufrieden geben, seid Ihr ziemlich naiv. Bei der erstbesten Gelegenheit wird er sich Eurer entledigen. Wahrscheinlich leitet er bereits etwas gegen Euch in die Wege. Früher oder später wird er diese Liste finden und Euch dann sofort töten lassen.«
»Und genau aus diesem Grunde wende ich mich an Euch, anstatt über die nächste Landesgrenze zu galoppieren.«
»Wo befindet sich die Liste?«
»In sicheren Händen, das sagte ich Euch doch bereits. Ihr versteht sicher, dass ich die Identität meines Vertrauensmannes selbstverständlich nicht preisgeben kann.«
Nun wurde Gagnières Tonfall drohend. »Ihr wisst aber gewiss auch, dass wir in der Lage sind, Euch dieses Geheimnis zu entreißen.«
»Bevor Euch das gelänge, würde die Liste bereits publik werden.«
»Na und? Im Gegensatz zum Kardinal kann sie uns nichts anhaben. Ganz im Gegenteil: Wir wären hocherfreut, wenn sich die Beziehungen zwischen Frankreich und Spanien noch verschlechterten.«
»Gewiss«, räumte Laincourt ein. »Aber Ihr solltet bedenken, dass gleichzeitig weitere Informationen preisgegeben würden, die die Schwarze Kralle unmittelbar betreffen. Und ich versichere Euch, es sind Informationen, die großen Schaden anrichten könnten.«
Diese Neuigkeit nahm Gagnière zunächst völlig gelassen
auf und wägte in Gedanken ab, was Laincourt überhaupt über die Schwarze Kralle wusste und welche Gefahr er für sie darstellte.
»Es gibt also noch eine weitere Liste?«, erkundigte er sich.
»Noch eine Liste, ja.«
»Ihr treibt ein gefährliches Spiel, Monsieur Laincourt …«
»Ich habe schon eine gewisse Erfahrung als Spion sammeln können, Marquis. Zumindest genug, um zu erkennen, dass kleine Fische wie ich genauso bedenkenlos geopfert werden wie Fußsoldaten auf dem Schlachtfeld.«
Verärgert darüber, dass er nicht die Oberhand gewinnen konnte, seufzte der Marquis. »Lasst uns zur Sache kommen. Ihr wärt nicht hier, wenn Ihr mir nichts anzubieten hättet. Also, sprecht.«
»Als Beweis meiner Loyalität überlasse ich Euch beide Listen. Die eine zerstört ihr, mit der anderen könnt Ihr machen, was Ihr für richtig haltet.«
»Diese Papiere schützen Euch, und Ihr wollt Euch dennoch von ihnen trennen? Läuft das nicht Euren eigenen Interessen zuwider?«
»Ich trenne mich davon, obwohl ich damit den Zorn des Kardinals auf mich ziehen werde. Aber im Gegenzug will ich, dass Ihr mir den Schutz der Schwarzen Kralle garantiert.«
Gagnière begriff allmählich, hakte aber dennoch nach: »Wie soll das funktionieren?«
»Ich möchte in den Kreis der Eingeweihten aufgenommen werden, wie Ihr. Im Übrigen glaube ich, dass ich mir diese Ehre redlich verdient
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