Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen
eine Schussverletzung an der Schulter mitgebracht. Abgesehen davon war er in Siegerlaune.
»Ach, das ist nur ein Kratzer«, wiegelte er mit einer vagen Geste auf den Verband ab, der unter seinem Hemd kaum zu sehen war. Im Übrigen hatte die Wunde nur schwach geblutet.
»Du hast wirklich Glück gehabt«, warf Leprat mit einem Anflug von Bitterkeit in der Stimme von seinem Sessel aus ein.
»Ohne ein bisschen Glück schafft es keiner«, stellte Agnès fest und setzte sich mit an den großen Tisch.
Sie stocherte ein wenig im bereitstehenden Essen herum und lud sich dann etwas Schinken, kalten Braten und Käse auf den Teller. Ballardieu schenkte ihr sogleich ein Glas Wein ein, was sie mit einem dankbaren Blick quittierte. Da gesellte sich auch La Fargue wieder zu seiner Truppe. Rittlings setzte er sich auf einen umgedrehten Stuhl und kam ohne Umschweife zur Sache: »Du zuerst, Marciac. Erzähl uns, was du über das Mädchen weißt.«
»Sie heißt Cécile.«
»Und weiter?«
»Das ist alles. Ich habe mich an Castillas Fersen geheftet, den Agnès und ich im Haus von Madame de Sovange angetroffen haben, und Castilla hat mich in die Rue de la Fontaine zu Cécile geführt. Er selbst ist nicht lange dort verweilt und bald zu Pferde aufgebrochen. Der Zufall wollte, dass ich eine
Gruppe von Männern ertappe, die, wie ich anhand ihrer Gespräche feststellen konnte, die Entführung von Cécile geplant hatten. Wie dem auch sei, ich habe sofort beschlossen, dass ich das verhindern muss. Und das war’s auch schon.«
»Wer waren diese Männer?«
»Auftragsmörder unter sich. Aber den Befehl hatte ein Spanier, ein Einäugiger, ganz in schwarzes Leder gekleidet, der sich seiner Sache so sicher war, dass er gleich wieder abgezogen ist.«
»Würdest du ihn wiedererkennen?«, wollte Leprat wissen.
»Ohne Zweifel.«
»Aber du bist ihm vorher noch nie begegnet?«
»Nein.«
La Fargue nahm sich Zeit, die neuen Informationen einzuordnen, dann wandte er sich an Agnès. »Jetzt bist du dran.«
Die Baronin leerte ihr Glas in einem Zug, bevor sie begann. »Sie sagt, sie heiße Cécile Grimaux. Angeblich hat sie bis vor einem Jahr mit ihren Eltern in Lyon gelebt. Doch die seien beide verstorben: der Vater von einer Krankheit dahingerafft und die Mutter vom Kummer über seinen Tod kurze Zeit später. Mittellos ist sie dann zu ihrer älteren Schwester Chantal gezogen. Die lebte zwar recht bescheiden als Näherin hier in Paris, doch sie hat sie dennoch herzlich aufgenommen …«
»Lebte?«, hakte Leprat nach.
»Ich komme gleich darauf … Über einen Handschuhmacher, für den sie manchmal arbeitete, lernte Chantal zwei spanische Abenteurer kennen, den Chevalier d’Irebàn und seinen Freund Castilla. Sie verliebte sich in Irebàn und wurde seine Mätresse. Sie zogen heimlich in ein kleines Haus im Faubourg Saint-Martin , um dort fernab von missbilligenden
Blicken ihre vollkommene Liebe auszuleben. Doch ihr Glück währte nur wenige Wochen. Dann verschwanden die beiden plötzlich spurlos. Seither ist Castilla auf der Suche nach ihnen, und Cécile wartet und hofft auf die Rückkehr ihrer Schwester. Es scheint, als seien sie sich durch diese Prüfung näher gekommen.«
»Inwiefern näher gekommen?«, erkundigte sich Marciac, und alle verstanden seine Besorgnis, denn Cécile war eine sehr hübsche junge Frau und ganz nach Marciacs Geschmack.
»Ich glaube, da ist dir jemand zuvorgekommen«, deutete Agnès mit verschmitztem Lächeln an. »Aber zweifelsohne sprechen die ritterlichen Heldentaten, die du letzte Nacht vollführt hast, für dich …«
»Darauf wollte ich überhaupt nicht hinaus!«
»Na, wir werden sehen.«
»Jetzt ist aber Schluss!«, bestimmte La Fargue mit einem Anflug von guter Laune, die bei ihm selten vorkam.
Doch er beherrschte sich schnell wieder und tat so, als bemerke er die erstaunten Blicke nicht, die seine Mannschaft untereinander austauschte.
»Trotzdem eine komische Geschichte«, sagte Ballardieu.
»Sie passt allerdings ganz gut zu den Informationen, die uns Rochefort gegeben hat«, bemerkte Leprat fast bedauernd.
Um die Zügel dieser Unterhaltung wieder in die Hand zu bekommen, richtete der Hauptmann der Klingen eine weitere Frage an Agnès: »Was weiß Cécile über Irebàn?«
»So gut wie gar nichts. Wenn man ihr Glauben schenkt, war ihre Schwester, was dieses Thema betrifft, nicht sehr gesprächig.«
»Und was weiß sie über Castilla?«
»Wir haben noch kaum über ihn gesprochen. Ich weiß nur, dass
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