Wild wie das Meer (German Edition)
vermelden, das Schiff sei in einem Sturm gesunken. Es war eine offizielle Bestätigung. Es gab keine Überlebenden.“
Devlin gab sich empört. „Sie bezichtigen Miss Hughes des Betrugs?“
Virginia spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg.
„Ich habe niemanden irgendeines Vergehens bezichtigt“, erwiderte William beschwichtigend und setzte ein breites Lächeln auf. „Und ich bitte um Vergebung, Miss, äh, Hughes, sollten meine Worte diesen Eindruck hervorgerufen haben.“
„Es gab eine Überlebende“, schaltete Devlin sich rasch ein, bevor Virginia etwas erwidern konnte. „Und das ist eine Tatsache, denn ich bin derjenige, der die junge Dame von der ,Americana’ an Bord meines Schiffes brachte.“
„Nun.“ Wieder lächelte William gekünstelt. „Wie sonderbar! Zwei Aussagen, die sich, wie es scheint, widersprechen!“
„Ich empfehle Ihnen, den Earl zu rufen“, sprach Devlin. Seine Worte klangen nicht wie ein Vorschlag, sondern vielmehr wie ein Befehl.
„Das wollte ich gerade tun“, entgegnete William und entfernte sich sichtlich erleichtert.
Virginia war beunruhigt. „Er hält mich für eine Hochstaplerin“, flüsterte sie.
Ein Lächeln umspielte Devlins Lippen. „Er weiß, dass du seine Cousine bist. Natürlich wird er bis zum Jüngsten Gericht behaupten, du seist ertrunken, um sich vor der Lösegeldzahlung und vor zukünftigen finanziellen Zuwendungen zu drücken, die dir als Verwandte zustehen.“
„Hat das nicht Zeit?“, flehte sie ihn an.
Seine Miene wurde hart. „Nein. Es ist schon zu viel Zeit vergangen. Möchtest du denn gar nicht den Earl kennenlernen? Schon bald bist du frei.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nicht auf diese Weise. Sieh doch, wie verarmt sie sind!“, gab sie zu bedenken und wies auf den Zustand des Foyers hin. Einige Marmorfliesen im Fußboden waren gesprungen, und die Wände waren schon lange nicht mehr farblich aufgehellt worden. Wie sollte ihr Onkel die Schulden der Plantage begleichen und obendrein das Lösegeld zahlen? Virginia war am Boden zerstört. Die letzte Möglichkeit, Sweet Briar zu retten, war in weite Ferne gerückt.
Schritte waren auf der gewundenen Treppe zu ihrer Rechten zu vernehmen. Als Virginia sich umwandte, sah sie einen großen grauhaarigen und äußerst beleibten Mann mit einer aschfahlen Gesichtsfarbe, der die Stufen hinunterging, dicht gefolgt von William. Für einen kurzen Moment glaubte sie, große Spannungen wahrzunehmen, ganz so, als habe die Feindschaft der beiden Männer ein unheilvolles Knistern in der Luft ausgelöst. Doch dann lächelte ihr Onkel galant und wandte sich den Besuchern mit einer freundlichen Miene zu. „Captain O’Neill“, sprach er und trat vor. „Wie aufmerksam von Ihnen, uns aufzusuchen.“
„Mylord“, erwiderte Devlin ruhig und verneigte sich leicht.
Der Earl wandte sich Virginia zu, die hastig in einen Knicks sank. „Und dies ist ... meine Nichte?“
Nervös machte Virginia einen Schritt nach vorn und sprach viel zu schnell. „Ja, Mylord, ich bin es, Virginia Hughes, die Tochter Ihres Bruders, sein einziges Kind!“
Er schien sie mit seinem Blick durchbohren zu wollen, doch er lächelte nach wie vor. „Mir wurde zugetragen, es gebe keine Überlebenden“, merkte er leise an.
Der sonderbare Unterton in seiner Stimme war Virginia nicht entgangen, aber sie holte tief Luft und sprach: „Captain O’Neill hat mir das Leben gerettet, Mylord. Er ... holte mich an Bord seines Schiffes, als sich abzeichnete, dass ein Sturm bevorstand.“ Sie verschwieg geflissentlich, dass Devlin die „Americana“ zuvor angegriffen hatte. „Hätte er mir nicht geholfen, wäre ich jetzt tot! Ich bin ihm zu großem Dank verpflichtet“, fügte sie hastig hinzu und spürte Devlins erstaunte Blicke.
Beharrlich mied sie seinen Blick, doch jetzt wusste er, dass sie nie preisgeben würde, was er wirklich getan hatte.
Eastleigh musterte sie von Kopf bis Fuß. „Und in der ganzen Zeit waren Sie zu Gast bei meinem Freund, dem Captain. Welch wunderbare Fügung.“
Sie zögerte. „Ich bin kaum ein Gast“, entgegnete sie, doch Eastleigh schien sie nicht zu hören. Zögerlich schaute sie zu Devlin auf. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, und seinen Augen wohnte ein angriffslustiges Leuchten inne.
„Sir ... Mylord ... Onkel!“ Ohne darüber nachzudenken, umschloss sie die fleischigen, feuchten Hände des Earls. „Bitte sagen Sie mir, dass Sweet Briar noch nicht verkauft ist! Bitte sagen Sie mir, dass
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