Wilde Rose der Prärie
Padre."
„Kann sein", gab Holt zurück. Die ganze Zeit über hielt er dabei die Komantschen im Auge, insbesondere den, der der Anführer sein musste. Keiner von ihnen machte Anstalten, einen Pfeil aus dem Köcher zu ziehen oder ein Messer zu zücken. Rafe blieb an seiner Seite, auch wenn es ihm offensichtlich nicht behagte. Zwar wäre es Holt lieber gewesen, hätte sein Bruder nicht die Mission verlassen, da er dort zumindest sicherer aufgehoben war als hier. Doch er wusste, es würde nur vergeudete Zeit und Mühe sein, ihn dazu aufzufordern. So verärgert, wie er war, wäre Rafe ein Rückzug vermutlich nie in den Sinn gekommen. Da Holt nicht wusste, was diese unsichtbare Linie begründete, die die Komantschen nicht zu überschreiten wagten, blieb er lieber gut zwanzig Meter von der Gruppe entfernt stehen.
Der Anführer spie auf den Grund, rührte sich aber nicht von der Stelle und hob auch nicht seinen Bogen. Sein Blick wanderte zwischen Holts Augen und dem Gewehr in dessen Hand hin und her, sein bemaltes Gesicht war starr vor Zorn und Verunsicherung.
Holt grinste ihn an. „Warum kommt ihr nicht rein?", rief er den Indianern zu. „Hier gibt es jede Menge guter Skalps zu holen."
Die Krieger musterten ihn verächtlich - vermutlich, weil er ihre Sprache nur so bruchstückhaft beherrschte -, doch sein Auftreten löste bei ihnen noch etwas anderes aus: Angst.
„Aber natürlich gibt es da auch Geister", fuhr Holt fort. Er machte noch einen Schritt nach vorn, war sich aber nur zu gut der Tatsache bewusst, dass er weitaus mehr riskierte als nur sein eigenes Leben. Die Komantschen mussten weiter nichts machen als sich zusammenzureißen, dann konnten sie ihn und Rafe überrennen. Ein paar Schüsse würden sie noch abfeuern und vielleicht den einen oder anderen Mann außer Gefecht setzen können, doch verloren war der Kampf dann so oder so, und die Menschen in der Mission würden abgeschlachtet werden. Hinzu kam, dass vermutlich noch hundert Krieger mehr in der Dunkelheit warteten. Die Indianer zögerten, dann ließen sie ihre Tiere ein Stück zurückweichen. Holt wurde von einem Triumphgefühl erfasst. „Und wer weiß", redete er weiter. „Vielleicht sind wir zwei ja auch Geister. Das wäre schlecht für euch, sehr, sehr schlecht."
Rafe schwieg zwar, aber Holt konnte seine ungeheure Anspannung spüren. Wenn die Komantschen ihn nicht umbrachten und skalpierten, dann lief er Gefahr, dass Rafe das für sie nachholen würde.
Plötzlich stieß der Anführer der Indianer ein durchdringendes Kriegsgeheul aus und reckte die geballte Faust in die Luft.
„Ich würde ja sagen, dass es schön war, dich gekannt zu haben, Holt", flüsterte Rafe, „aber für die Lüge käme ich geradewegs in die Hölle."
Für einen kurzen, aber unendlich lang erscheinenden Moment sahen sich die beiden mit einer Fülle unerfreulicher Möglichkeiten konfrontiert, welche Entwicklung die Situation als Nächstes nehmen mochte. Doch dann ließen die Indianer ihre Ponys kehrtmachen und jagten davon, bis sie mit der Nacht verschmolzen waren. Während die durchdringenden Schreie und das Hufgetrappel leiser wurden, kam in der Mission Unruhe auf.
„Die werden wir bis Laredo nicht wiedersehen", sagte Holt. Rafe versetzte ihm einen kräftigen Stoß gegen die Schulter. „Verdammt noch mal", knurrte er. „Würden wir nicht wie zwei Idioten hier draußen stehen, hätte ich dich schon längst in den Hintern getreten."
„Du kannst es ja mal versuchen", gab Holt zurück und lauschte, ob das typische hohe Surren zu hören war, das von abgeschossenen Pfeilen verursacht wurde, aber alles war ruhig. Erst dann drehte er sich um, weil er nun Gewissheit hatte, dass sich keines der Geschosse in seinen Rücken bohrte.
Lorelei und Melina warteten hinter dem Tor der Mission auf sie, beide trugen sie Nachthemden und hatten sich in Decken gehüllt. John und der Captain hielten sich ebenfalls dort auf, sie hielten ihre Gewehre einsatzbereit im Anschlag. „Rothäute?", fragte der Captain und sah Holt an, während Rafe das Tor verriegelte. „So was Verrücktes", murmelte der vor sich hin.
Holt nickte. „Ja, Sir", antwortete er aus purer Gewohnheit. Immerhin war er viele Jahre lang mit dem Captain unterwegs gewesen und hatte von ihm seine Befehle entgegengenommen. „Sechs, aber ich würde sagen, dass in einiger Entfernung noch etliche mehr auf ein Signal zum Angriff gewartet haben dürften."
Lorelei stand so dicht bei ihm, dass er sie mühelos hätte packen und
Weitere Kostenlose Bücher