Wilder Als Ein Traum
hast - das, bei dem du geklungen hast, als hättest du eine verstopfte Nase?«
Tabitha machte einen Schritt zurück und sah ihn an. Dies war der Augenblick der Wahrheit, dachte sie betrübt. »Du hast viel mehr aufgeschnappt, als ich vermutet hätte!«
Das bejahte er. »Ich habe nicht viel verstanden von dem, was da aus deinem Mund kam, aber ich habe es mir, so gut es ging, gemerkt.«
Sie wies auf einen umgestürzten Baumstamm. »Vielleicht setzt du dich besser hin.«
Argwöhnisch befolgte er ihren Rat. Tabitha stapfte über
die Lichtung und überlegte, wie sie ihre Beichte am günstigsten begann. Ihre Mutter hatte ihr immer gesagt, wenn sie sich einmal verlaufen sollte, kehrte sie vernünftigerweise an den Ort zurück, an dem sie zuletzt gewesen war.
Also nahm sie Colin mit in ihr Penthouse im verschneiten New York, von wo aus sie versehentlich in die Vergangenheit gewandert war. Obgleich sie zu nervös war, um ihm ins Gesicht zu sehen, warf sie hin und wieder einen kurzen Blick in seine Richtung. Seine bemüht ausdruckslose Miene ähnelte sicher ihrer eigenen, als sie das Video ihrer Mutter angeschaut und von der Existenz des Amuletts erfahren hatte. Hin und wieder schaffte er es sogar, zu ihrem unglaublichen Bericht zu nicken.
»Siehst du!«, endete sie lächelnd. »Meine so genannten übersinnlichen Kräfte sind wahrscheinlich nichts weiter als das Ergebnis eines überentwickelten sechsten Sinns oder mutierten Gens. Das Amulett war lediglich ein Positronenleiter, der diese Kräfte verstärkte. Und, fühlst du dich jetzt besser, nun, da du alles weißt?«
Weil er sich nicht rührte auf dem Stamm, wurde Tabitha nervös. Dann fuhr er sich verzweifelt durch die Haare. »In der Tat, jetzt bin ich wirklich erleichtert. Es ist wahrlich beruhigend zu wissen, dass ich nicht eine Hexe liebe, sondern eine Wahnsinnige.«
Sie blinzelte hoffnungsvoll. »Wird das von den Menschen vielleicht eher akzeptiert?«
Er erhob sich und machte sich auf in die entgegengesetzte Richtung. »Das ist keine Frage der Akzeptanz, sondern der Bequemlichkeit. Hexen müssen auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Verrückte hingegen kann man einfach in ein Kloster sperren!«
Betrübt schüttelte Tabitha den Kopf. »Ich hatte befürchtet,
dass du es nicht gut aufnehmen würdest. Deshalb habe ich es dir auch nicht eher gesagt.«
Sir Ravenshaw wirbelte herum und starrte sie mit großen Augen an. »Nicht gut aufnehmen?« Seine Stimme schwoll zu einem Brüllen an. »Nicht gut aufnehmen? Du erzählst mir, du wärst siebenhundert Jahre durch die Zeit zurückgereist …«
»Siebenhundertsechsundsechzig«, verbesserte sie geduldig.
Sein Blick hätte sicher das Gras zum Brennen gebracht, wäre es nicht so nass gewesen. »Siebenhundertsechsundsechzig Jahre durch die Zeit zurückgereist und erwartest einfach, dass ich dir eine derart absurde Geschichte abnehme!«
»Brent Vondervan war ein Junge, für den ich als Viertklässlerin geschwärmt habe. Ein Sandwich sind zwei Brotscheiben mit einem Belag dazwischen. Ein Psychologe ist jemand, der Menschen mit mentalen oder emotionalen Problemen zur Seite steht. Ein Kieferorthopäde ist jemand, der eine ganze Reihe von Plastik- und Metallgeräten verwendet, um krumme Zähne zu begradigen. Zimmerservice nennt man es, wenn man in einem teuren Hotel Essen auf sein Zimmer gebracht bekommt. Das schreckliche Lied, das du gehört hast, war »Your Cheatin’Heart‹, im Jahre 1953 geschrieben und aufgenommen von Mr. Hank Williams, Sr., in Nashville, Tennessee - es ist üblich, dass man es durch die Nase singt, sonst klänge es nicht wie Country Music.«
Colin nahm so plötzlich wieder auf dem Baumstamm Platz, dass er beinahe gleich auf der anderen Seite heruntergefallen wäre. »Es stimmt, nicht wahr?« brachte er heiser hervor. »Du stammst nicht aus dieser Zeit. Du gehörst nicht hierher.«
Nie hätte Tabitha erwartet, dass ihn diese Tatsache derart
niederschmettern würde. Sie hockte sich zwischen seine Knie, legte ihre Hände auf seine Schenkel und sah ihn zärtlich an. »Ich gehöre dorthin, wo du bist.«
»Aber deine Eltern …? Wenn sie noch leben, wollen sie doch das Gefühl haben, eine Familie zu sein.«
Durch seine Sorge aus dem mühsam gewonnenen Gleichgewicht gebracht, senkte sie den Blick. »Meine Mutter ist eine hoffnungslose Romantikerin. Wenn sie in diesem Augenblick hier wäre, bin ich sicher, dass sie mir raten würde, meinem Herzen zu folgen - selbst wenn es mich von ihr fort
Weitere Kostenlose Bücher