Wilder Als Ein Traum
weiter als ein flüchtiges Techtelmechtel gewesen, das du von Herzen bereust. Und dann mach Lyssa zu deiner Frau. Heute noch. Ehe du ihr dummes Herz brichst!«
Colin war in seiner Hose eingeschlafen, sodass er nur eine saubere Tunika aus seinem Rucksack ziehen und in seine Stiefel und Sporen steigen musste - schon war er fertig. Dann verknotete er die Kette von Tabithas Amulett und hängte sie sich um den Hals.
»So ist’s recht. Wir machen dich schon noch zu einem guten Ehemann.« Arjon lehnte in der Tür. Sein Lächeln war zurückgekehrt, wenn auch nicht ganz so sanft wie sonst.
Allerdings verflog es wieder, als er Colins Miene sah. »Ich muss erst mit Tabitha sprechen. Leider habe ich ihr gestern wirklich wehgetan.« Er schob sein Schwert in seinen Gürtel und wandte sich zum Gehen.
»Sie ist nicht mehr da«, brachte Arjon tonlos heraus. Colin hob den Kopf und betete, das Klingeln in seinem Inneren hätte sein Hörvermögen beeinträchtigt.
Doch Arjon nickte bestätigend. »Sie ist bei Anbruch der Dämmerung fortgeritten. Ich habe zufällig aus meinem Fenster geguckt und sie gesehen.«
Colin erwog seine Worte, als wären es die letzten: »Und du hast mich nicht geweckt?«
Arjon sah ihn flehend an, obgleich Colin nicht hätte sagen können, ob es ihm um Verständnis oder um Vergebung zu tun war. »Lass sie gehen«, flüsterte er inbrünstig. »Bitte.«
»Ich kann nicht«, stieß Colin zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, ehe er sich an seinem Freund vorbeischob, als gäbe es ihn nicht.
Colin rannte die Wendeltreppe hinunter und jagte in den sturmdurchtosten Hof. Wind und Regen schlugen ihm entgegen, Donner grollte und wütende Blitze zuckten durch das kochende Wolkenmeer. Es machte ihn halb wahnsinnig, daran zu denken, dass Tabitha irgendwo dort draußen war, verloren und mutterseelenallein, mit nicht einmal ihrem Amulett als Schutz vor den Urgewalten.
Der Stall war sein Ziel, und er betete, Chauncey oder einer der anderen Knappen hätte sich weit genug vom Suff erholt, um ihm sagen zu können, in welche Richtung sie geritten war. Regen ergoss sich wie aus Kübeln auf das Kopfsteinpflaster, sodass er kaum noch etwas sah. Die kleine, unter dem tropfenden Vordach des Stalls zusammengekauerte Gestalt nahm er erst wahr, als er beinahe über sie stolperte. Sie war bis auf die Haut durchnässt und ihre Zähne klapperten.
Er hockte sich neben sie und schob ihr sanft eine nasse
Strähne aus der Stirn. »Lyssa, was, um Himmels willen, machst du denn hier?«
Ihre dunklen Augen sahen ihn unglücklich an, und ihre Wimpern waren tränennass. »Ich habe sie gehen lassen. Man sah, dass sich ein Sturm zusammenbraute, aber ich habe sie trotzdem gehen lassen. Mir war es recht, dass sie fort wollte. Und ich habe gebetet, sie käme niemals mehr zurück.«
Colin zog langsam seine Hand zurück und ihr Zittern verstärkte sich. »In welche Richtung ist sie geritten?« fragte er tonlos.
»Ich glaube, nach Süden. Sie hat mich gefragt, in welcher Richtung England liegt.«
»England?« Er runzelte die Stirn.
»Sie wollte noch etwas erledigen, und dann weit fortziehen. So weit, dass du sie niemals finden würdest.«
»Großer Gott!« Plötzlich dämmerte Colin, was Tabitha beabsichtigte.
Er hatte Tabithas Hilfe ausgeschlagen und sie ihres kostbaren Amuletts beraubt - trotzdem wollte sie es allein mit Brisbane aufnehmen. Er verfluchte sich dafür, dass er nicht gleich darauf gekommen war. Schließlich erinnerte er sich daran, wie kühn sie sich mit einem Schwert, das sie kaum anheben konnte, bei ihrer ersten Begegnung Rogers Männern und seinen knurrenden Hunden in den Weg gestellt hatte.
»Ich hatte ihr meinen Sturmvogel angeboten …«
» Deinen Sturmvogel?« Colin packte Lyssandra bei den Schultern und schüttelte sie. »Gütiger Himmel, die Lady ist die schlechteste Reiterin, die ich kenne. Wenn das Tier nur eine falsche Bewegung macht, fällt sie garantiert hinunter und bricht sich das Genick.«
Ehe Lyssandra zu einer Berichtigung ansetzen konnte, war er bereits in den Stall gestürzt und kam, eins seiner muskulösen
Beine über dem Rücken seines Pferdes, wieder heraus. Ross und Reiter galoppierten über den Hof und die Zugbrücke, wobei das Donnern der Hufe bei dem ohrenbetäubenden Gewitter nicht einmal zu hören war.
»Allmächtiger, was habe ich getan?« Lyssandra stand im strömenden Regen und fühlte sich elender als je zuvor. »Papa«, flüsterte sie schließlich, und leise Hoffnung wallte in
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