Wilder Eukalyptus
und locker bleiben.«
Gemma lächelte. »Ich bin froh, dass ich bei dir bin.«
»Natürlich, oder wie oft ist es dir schon passiert, dass dich jemand im Negligé empfangen hat? Am besten, du gehst jetzt unter die Dusche und fährst danach wieder in die Klinik. Ich beziehe das Gästebett und gebe dir einen Schlüssel, dann kannst du jederzeit ins Haus. Deine Mutter kann auch gerne hier übernachten, aber ich schätze, sie will lieber bei Jake bleiben.«
Als Gemma später wieder auf den immer noch feuchten Straßen unterwegs war, fühlte sie sich deutlich besser als zuvor - wieder stark genug, um ihren Eltern zur Seite zu stehen. Sie sah auf ihre Uhr und stellte fest, dass es fast sechs war. Wenn sie Bulla und Garry vor Arbeitsbeginn erreichen wollte, durfte sie nicht länger warten. Sie hielt am Bordsteinrand und wählte auf ihrem Handy die Nummer.
»Ja?«, meldete sich eine grantige Stimme.
Gemma lachte kurz auf und sagte: »Warum denn so griesgrämig? Es ist ein wunderschöner Morgen. Und es hat geregnet!«
»Verflucht, Gemma, weißt du, wie früh es ist? Schläfst du eigentlich nie, Mädchen?«, knurrte Bulla.
»Doch, aber trotzdem ist es ein herrlicher Morgen.«
»Das weiß ich erst, wenn ich meine erste Tasse Kaffee getrunken habe. Was gibt’s?«
Gemma wusste, dass Bulla ein wenig Theater spielte. Wahrscheinlich war er schon vor Sonnenaufgang aufgestanden. »Ich habe schlechte Neuigkeiten. Ich bin in Pirie. Mein Vater hatte gestern Abend einen Herzinfarkt.«
Bulla fluchte am anderen Ende der Leitung.
»Es geht ihm gut - es war nur ein kleiner Infarkt -, aber du oder Gaz, einer von euch sollte heute mal nach dem Vieh auf Hayelle sehen. Ich komme wahrscheinlich erst sehr spät in der Nacht zurück, vielleicht auch erst morgen. Ich werde so lange hierbleiben, wie Dad mich braucht. Vermutlich wird er schon morgen nach Adelaide verlegt. Sie wollen dort weitere Untersuchungen mit ihm machen.«
»Okay, kein Problem, lass dir so viel Zeit, wie du brauchst. Gaz und ich kümmern uns um alles. Richte deinem alten Herrn von mir aus, dass er ganz schnell wieder gesund werden soll.«
»Danke, Bulla«, antwortete Gemma leise.
Nachdem Gemma ihren Wagen wieder auf dem Klinikparkplatz abgestellt hatte, ging sie in das Café neben dem Eingang, wo eine verschlafen aussehende junge Frau sie bediente, und besorgte frischen Kaffee für sich und ihre Mutter.
Als sie kurz darauf die Station betrat, wurde sie von einer Krankenschwester angesprochen: »Jemand hat nach Ihnen gefragt, als Sie weg waren.« Sie hielt ihr einen Zettel entgegen.
»Danke«, sagte Gemma. Sie faltete den Zettel auseinander und sah, dass die Nachricht von Paige stammte.
Liebe Gemma,
schade, dass ich dich verpasst habe. Ich hätte gerne noch ein bisschen mit dir geplaudert. Aber da ich ja jetzt wieder in der Stadt bin, können wir das vielleicht demnächst nachholen, bei einem leckeren Essen oder so. Ich habe dich in den letzten Jahren vermisst. Hoffe, wir sehen uns bald! Liebe Grüße
Paige
Darunter stand ihre Telefonnummer.
Gemma musste an ihre gemeinsame Zeit im Internat in Adelaide denken und an ihre ehemalige Clique. Damals hatten sie sich geschworen, sich niemals aus den Augen zu verlieren. Sie waren schon seit der Grundschule Freundinnen - Paige, Jess, Kathy, Claire und sie selbst. Gemma überlegte, was aus den anderen geworden war. Ihr Kontakt zu Paige und Kathy hatte sich in all den Jahren auf ein paar Weihnachtskarten beschränkt. Das Letzte, was sie von Kathy gehört hatte, war, dass sie ins Ausland gegangen war. Kathy hatte schon immer das Reisefieber gepackt. Was Claire betraf, so würde Gemma niemals ihre Worte vergessen, die sie damals im Restaurant ihrem Freund an den Kopf geworfen hatte, bevor sie wütend abgerauscht war.
»Tim Milton, du bist ein mieses Arschloch. Ich kann nicht fassen, dass ich dich einmal wirklich geliebt habe!« Claire hatte Tim das Foto ins Gesicht geschleudert, auf dem er mit einer anderen Frau zu sehen war, während Gemma und Adam die Szene mit offenem Mund verfolgt hatten. Dann war Claire mit dem Auto davongerast. Zehn Minuten später war sie tot, nachdem ihr Kleinwagen mit
einem Truck zusammengestoßen war. Ein Jahr später beging Tim Selbstmord, vor lauter Schuldgefühlen.
Gemma schüttelte den Kopf. Weg mit den schlechten Erinnerungen. Es gab ohnehin zu viele, und die schlimmsten kehrten besonders in schwierigen Zeiten zurück. Sie nahm die beiden Kaffeebecher und ging weiter zum
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