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Wilhelm Tell

Titel: Wilhelm Tell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schiller
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nur Thränen für des Freundes Unglück?
    – Wo waret ihr, da man den Trefflichen
    In Bande schlug? Wo war da eure Hülfe?
    Ihr sahet zu, ihr ließt das Gräßliche geschehn,
    Geduldig littet ihr’s, daß man den Freund
    Aus eurer Mitte führte – Hat der Tell
    Auch so an Euch gehandelt? Stand er auch
    |170| Bedaurend da, als hinter dir die Reiter
    Des Landvogts drangen, als der wüthge See
    Vor dir erbraußte? Nicht mit müßgen Thränen
    Beklagt’ er dich, in den Nachen sprang er, Weib
    Und Kind vergaß er und befreite dich –
     
    WALTHER FÜRST
    Was konnten wir zu seiner Rettung wagen,
    Die kleine Zahl, die unbewaffnet war!
     
    HEDWIG
(wirft sich an seine Brust)
    O Vater! Und auch du hast ihn verloren!
    Das Land, wir alle haben ihn verloren!
    Uns allen fehlt er, ach! wir fehlen ihm!
    Gott rette seine Seele vor Verzweiflung.
    Zu ihm hinab ins öde Burgverließ
    Dringt keines Freundes Trost   – Wenn er erkrankte!
    Ach, in des Kerkers feuchter Finsterniß
    Muß er erkranken – Wie die Alpenrose
    Bleicht und verkümmert in der Sumpfesluft,
    So ist für Ihn kein Leben als im Licht
    Der Sonne, in dem Balsamstrom der Lüfte.
    Gefangen! Er! Sein Athem ist die Freiheit,
    |171| Er kann nicht leben in dem Hauch der Grüfte.
     
    STAUFFACHER
    Beruhigt euch. Wir alle wollen handeln,
    Um seinen Kerker aufzuthun.
     
    HEDWIG
    Was könnt ihr schaffen ohne ihn? – Solang
    Der Tell noch frei war, ja da war noch Hofnung,
    Da hatte noch die Unschuld einen Freund,
    Da hatte einen Helfer der Verfolgte,
    Euch alle rettete der Tell   – Ihr alle
    Zusammen könnt nicht seine Fesseln lösen!
     
    (der Freiherr erwacht)
     
    BAUMGARTEN
    Er regt sich, still!
     
    ATTINGHAUSEN
(sich aufrichtend)
    Wo ist er?
     
    STAUFFACHER
    Wer?
     
    ATTINGHAUSEN
    Er fehlt mir,
    Verläßt mich in dem lezten Augenblick!
     
    |172| STAUFFACHER
    Er meint den Junker   – Schickte man nach ihm?
     
    WALTHER FÜRST
    Es ist nach ihm gesendet – Tröstet euch!
    Er hat sein Herz gefunden, er ist unser.
     
    ATTINGHAUSEN
    Hat er gesprochen für sein Vaterland?
     
    STAUFFACHER
    Mit Heldenkühnheit.
     
    ATTINGHAUSEN
    Warum kommt er nicht,
    Um meinen lezten Segen zu empfangen?
    Ich fühle, daß es schleunig mit mir endet.
     
    STAUFFACHER
    Nicht also, edler Herr! Der kurze Schlaf
    Hat euch erquickt, und hell ist euer Blick.
     
    ATTINGHAUSEN
    Der Schmerz ist Leben, er verließ mich auch,
    Das Leiden ist, so wie die Hofnung, aus.
    (er bemerkt den Knaben)
    Wer ist der Knabe?
     
    |173| WALTHER FÜRST
    Segnet ihn o Herr!
    Er ist mein Enkel und ist vaterlos.
     
    (Hedwig sinkt mit dem Knaben vor dem Sterbenden nieder)
     
    ATTINGHAUSEN
    Und vaterlos laß ich euch alle, alle
    Zurück   – Weh mir, daß meine lezten Blicke
    Den Untergang des Vaterlands gesehn!
    Mußt’ ich des Lebens höchstes Maaß erreichen,
    Um ganz mit allen Hofnungen zu sterben!
     
    STAUFFACHER
(zu Walther Fürst)
    Soll er in diesem finstern Kummer scheiden?
    Erhellen wir ihm nicht die lezte Stunde
    Mit schönem Strahl der Hofnung? – Edler Freiherr!
    Erhebet euren Geist! Wir sind nicht ganz
    Verlassen, sind nicht rettungslos verloren.
     
    ATTINGHAUSEN
    Wer soll euch retten?
     
    WALTHER FÜRST
    Wir uns selbst. Vernehmt!
    Es haben die drey Lande sich das Wort
    |174| Gegeben, die Tyrannen zu verjagen.
    Geschlossen ist der Bund, ein heilger Schwur
    Verbindet uns. Es wird gehandelt werden,
    Eh noch das Jahr den neuen Kreis beginnt,
    Euer Staub wird ruhn in einem freien Lande.
     
    ATTINGHAUSEN
    O saget mir! Geschlossen ist der Bund?
     
    MELCHTHAL
    Am gleichen Tage werden alle drey
    Waldstätte sich erheben. Alles ist
    Bereit, und das Geheimniß wohlbewahrt
    Bis jezt, obgleich viel hunderte es theilen.
    Hohl ist der Boden unter den Tyrannen,
    Die Tage ihrer Herrschaft sind gezählt,
    Und bald ist ihre Spur nicht mehr zu finden.
     
    ATTINGHAUSEN
    Die festen Burgen aber in den Landen?
     
    MELCHTHAL
    Sie fallen alle an dem gleichen Tag.
     
    ATTINGHAUSEN
    Und sind die Edeln dieses Bunds theilhaftig?
     
    |175| STAUFFACHER
    Wir harren ihres Beistands, wenn es gilt,
    Jezt aber hat der Landmann nur geschworen.
     
    ATTINGHAUSEN
(richtet sich langsam in die Höhe, mit großem Erstaunen)
    Hat sich der Landmann solcher That verwogen,
    Aus eignem Mittel, ohne Hülf der Edeln,
    Hat er der eignen Kraft soviel vertraut –
    Ja, dann bedarf es unserer nicht mehr,
    Getröstet können wir zu Grabe steigen,
    Es lebt nach uns – durch andre Kräfte will
    Das Herrliche der Menschheit sich

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