Willküra (German Edition)
eine reine Geldverschwendung, möchte ich Sie über den freudigen Grund dieses Umbaus in Kenntnis setzten.«
Er machte eine kleine Kunstpause und schaute in einzelne Gesichter, aber keines schien ihm gut genug, dass er seine Nachricht direkt an die dazugehörige Person adressieren wollte, also schaute er mit weitem Blick an das Ende der Halle und lächelte.
»Ich werde heiraten!«
Ein erstauntes aber auch erfreutes Raunen und Tuscheln ging durch den Saal. Ein paar Anwesende klatschten, was das Klatschen aller anderen nach sich zog und besonders den Müttern glühten die Wangen rot vor Freude.
Eine wischte sich sogar eine Träne weg und fiepste vor Freude.
»Ist es eine Liebeshochzeit, oh Willkürherrscher?«
»Ja, in der Tat, das ist es«, verkündete der Willkürherrscher laut, woraufhin ein tosender Applaus losging.
»Wir können das sicherlich später ein wenig gemeinsam feiern.«, versuchte der Willkürherrscher die Anwesenden zu normalisieren, »Ich werde aus dem Willkürherrschaftlichen Keller gerne den Bohnenschnaps meines Vorgängers Fürchtedich IX. holen lassen, auf dass wir dieses freudige Ereignis gemeinsam begießen. Aber vorher widmen wir uns noch den notwendigen Aufgaben unserer Sitzung! Sie sollen ja auch nicht umsonst hierhergekommen sein, liebe Eltern«, wandte er sich an die völlig aufgelösten Mütter und Väter, die sich nun teilweise romantisch die Hände hielten, »immerhin wollen Sie ja nun auch sehen, was Ihre Kinder hier so den ganzen Tag treiben.«
Eigentlich wäre es jetzt Gerolats Aufgabe, die Sitzung förmlich zu eröffnen und durch die Tagesordnungspunkte zu führen, erkannte der Willkürherrscher erst in diesem Augenblick und er war unfähig, etwas anderes zu denken, als sich zu fragen, wo Gerolat eigentlich war. Er war plötzlich verschwunden, seit, ja, seit, der Willkürherrscher dachte nach, er ihm Amanus vorgestellt hatte.
Da stimmt doch etwas nicht, dachte der Willkürherrscher, aber er konnte diesen Gedanken nicht weiter verfolgen, denn alle schauten ihn gespannt an und es kamen ihm erste kleine Hustensimulationen und Räusperer entgegen. Der Willkürherrscher musste nun reagieren.
»Nun, ich habe die Liste mit den Tagesordnungspunkten nicht hier. Und Gerolat ist nicht da. Das heißt, wir haben ein Problem, was den Ablauf angeht.«
»Wie sympathisch«, hörte der Willkürherrscher eine Mutter ihrem Mann zuflüstern, »so einen netten Chef hat unsere Tochter! Schön, das mal zu sehen!«
Der Willkürherrscher versuchte an den Gesichtern seiner Stabschefs abzulesen, welches Thema es zu besprechen gab, sah aber in ein flächendeckendes Nichts.
»Nun, ich gebe zu, sonderlich stolz bin ich auf diesen Fauxpas nicht gerade, aber Sie werden den Rest des Tages ja noch genug davon sehen, was ihre Kinder hier am Hofe arbeiten, also bestimme ich nun willkürlich, wie es meinem Amte entspricht: wir ändern die Besprechung zur Situation des Staates in ein zwangloses Miteinander bei Bohnenschnaps.«
»Wie schön!«, riefen spontan der Stabschef der Abteilung Entwirrung der Verwirrung und seine Mutter gleichzeitig in ziemlich ähnlicher Intonation.
»Gerolat!«, versuchte es der Willkürherrscher mit seinem Standardruf.
Aber Gerolat tauchte wieder nicht auf.
Zum Glück, dachte der Willkürherrscher, habe ich die Abteilung Entwirrung der Verwirrung.
Er rief den Stabschef zu sich, ebenso winkte er die Mutter heran und erklärte die Situation.
»Verwirrung wird sofort entwirrt, Willkürherrscher!«, ereiferte sich die Mutter. »Ob wir Gerolat finden, kann ich nicht versprechen, aber sicherlich finden wir den Bohnenschnaps! Komm mein Junge.«
Es ist ein Jammer, wie viele gute Arbeitskräfte in diesem Staat brach liegen, dachte der Willkürherrscher, als er die Aktionsbereitschaft der Mutter des Stabschefs der Abteilung Entwirrung der Verwirrung sah.
18
In der Stadt war es ganz ruhig. Ein paar Leute waren unterwegs, aus den Fenstern kam der Geruch von leckerem Essen und aus manchen Fenstern strömte Musik nach außen.
Wie ruhig es ist, wunderte sich Jamel. Wobei sonderlich ruhig ist es eigentlich gar nicht. Er schaute sich um. Es ist eigentlich so wie immer.
Er ging weiter in Richtung Buchhandlung am Blumenladen vorbei. Wenn tatsächlich alles noch so war wie immer, dann hatte der Blumenladen auch Champagner für ihn unter dem Verkaufstresen versteckt.
Jamel hatte nämlich einmal nach einer schrecklichen, erfolglosen Notfall-Suche nach Champagner im Blumenladen
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