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Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch

Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch

Titel: Wilsberg 13 - Wilsberg isst vietnamesisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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den Schluss gezogen, dass das Auto Professor Celenius gehörte.
    Eine Zigarillolänge später kam ein weißblonder, etwa fünfzigjähriger Mann aus dem Institutsgebäude. Er trug einen Mantel über dem Anzug, eine Fliege unter dem offenen Schal und eine dickbauchige Tasche. Er ging zum Jaguar.
    Ich trat ihm in den Weg. »Professor Celenius?«
    Er schaute mich mit einem Auge an. »Ja?«
    »Mein Name ist Wilsberg. Ich bin Privatdetektiv.«
    Ein spöttisches Lächeln huschte über sein Gesicht. »Tatsächlich?« Er sprach mit leichtem norddeutschen Akzent.
    »Ich würde gerne mit Ihnen reden.«
    »Tut mir Leid. Ich habe keine Zeit.«
    »Es geht um eine Mordserie. Im Zusammenhang mit dem Fall Jessica Wiedemann.«
    »Wie interessant. Lassen Sie sich von meiner Sekretärin einen Termin geben.«
    »Außer mir glaubt niemand, dass es sich um eine Mordserie handelt.«
    »Tja, ich muss nach Mailand.« Celenius entriegelte per Fernbedienung den Jaguar. »Wenn Sie wollen, können Sie mich zum Flughafen begleiten.«
    »Zu welchem Flughafen?«, fragte ich, als ich auf dem beigen Ledersitz saß.
    »Münster-Osnabrück.« Er lächelte. »Zurück können Sie den Bus nehmen.«
    Wir fuhren auf der Grevener Straße nach Norden. Ich erzählte meine Geschichte, wobei ich Namen und illegale Aktivitäten unterschlug, und er stellte knappe Informationsfragen. Sein berufliches Interesse schien jedenfalls geweckt.
    »Was meinen Sie dazu?«, fragte ich, als Sprakel hinter uns lag und wir von einem Lastwagen aufgehalten wurden.
    Er ließ sich Zeit mit der Antwort. »Es wäre möglich, dass es sich um eine Mordserie handelt. Aus dem Stand könnte ich Ihnen mindestens zehn vergleichbare Serien nennen, die sich in den letzten Jahren in Deutschland ereignet haben. Andererseits wäre es genauso gut möglich, dass Sie auf eine zufällige Häufung von Todesfällen in einem Stadtteil gestoßen sind. Für das Mordmotiv, das Sie der sozial engagierten Dame unterstellen, haben Sie nur in einem Fall einen vagen Hinweis. Das sehe ich doch richtig, oder?«
    »Stimmt«, gab ich zu. »Deshalb ist es von größter Bedeutung, dass die Leichen der alten Frauen untersucht werden.«
    »Da kann ich leider gar nichts machen«, sagte Celenius. »Wir dürfen nur auf Anforderung der Staatsanwaltschaft tätig werden. Das, was Sie in vielen Fernsehkrimis sehen, den Rechtsmediziner, der schon am Tatort die Leiche begutachtet, ist reine Fiktion. Zu unserem Bedauern, übrigens. Denn Fotos haben schon oft zu Fehlurteilen geführt. In der Realität bekommen wir die Leichen erst im Nachhinein auf den Seziertisch. Und nur dann, wenn Kripo und Staatsanwaltschaft der Auffassung sind, dass ein Verbrechen vorliegen könnte. Bedauerlicherweise ist das immer seltener der Fall.«
    »Wieso?«
    »Oberflächlich betrachtet, um Zeit und Geld zu sparen. Tatsächlich handelt es sich um einen politischen Skandal. In Deutschland gibt es eine stillschweigende Vereinbarung, sich nicht um die Toten zu kümmern.«
    Ich dachte an das Gespräch, das ich mit Stürzenbecher geführt hatte.
    »Stürzenbecher ist ein guter Mann«, sagte der Professor. »Ich habe bei einigen Fällen mit ihm zusammengearbeitet. Man kann ihm persönlich keinen Vorwurf machen. Er ist abhängig von den Vorgaben der Behörde und den Weisungen der Staatsanwaltschaft. Entscheidend ist die Tendenz in der Gesellschaft, Todesfalluntersuchungen für unwichtig zu erachten. Wir Rechtsmediziner führen seit Jahren einen Kreuzzug dagegen. Und in letzter Zeit haben wir auch Unterstützung in einigen Medien bekommen. Allerdings sind wir eine kleine Gruppe und wir werden immer kleiner, da man bestrebt ist, uns überflüssig zu machen. Allein in Nordrhein-Westfalen sollen von den sechs rechtsmedizinischen Instituten drei geschlossen werden.«
    »Wollen Sie behaupten, dass der Staat kein Interesse an der Aufklärung von Morden hat?«
    »So würde ich es nicht ausdrücken. Je weniger Todesfalluntersuchungen es gibt, desto geringer ist auch die Zahl der Morde und umso höher die Aufklärungsquote. Der Staat beweist seine Effektivität und die Bürger fühlen sich subjektiv sicher. Wenn es das öffentliche Interesse erfordert, zeigt der Staat enorme Präsenz. Nehmen Sie die sexuell motivierten Morde an Kindern. Seitdem sich die Medien dafür interessieren – und das ist erst seit einigen Jahren so –, werden Sonderkommissionen von mehreren hundert Beamten eingesetzt, die sich ausschließlich mit einem Fall beschäftigen. Aber im Polizeialltag

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