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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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verstrich schnell, als die Szenerie sich wie von Zauberhand zum Nachtleben wandelte: andere Menschen, andere Unternehmungen, bunte Laternen in Schwindel erregendem Tanz. Mal nickte ein.
            Irgendwann verblassten die Bilder … die Dorfbewohner zogen sich zurück, Schritte verhallten in kopfsteingepflasterten Gassen, Wachen hockten vor den großen Toren, das Wasser in den Pferdetrögen gefror, und Dutzende von Ratten huschten über den verlassenen Platz.
            Mal erwog, in einem nahe gelegenen Gasthaus Unterkunft für die Nacht zu suchen, und debattierte das Für und Wider, während die Nacht verstrich. Er konnte sich ein Zimmer mieten und in aller Frühe seine Wache wieder aufnehmen. Das wäre wahrscheinlich sicherer, denn sein Ultimatum war inzwischen abgelaufen, und ihm drohte die angekündigte Strafe. Wenngleich, so überlegte er, es schon interessant war, dass Ling Lus Soldaten nicht schon vor Stunden aus dem Haus gestürmt waren, um ihm den Kopf abzuschneiden. Er hatte das Gefühl, dass jener düstere Prinz Gefallen an der einen oder anderen Exekution finden würde.
            Es störte ihn nicht, dass er das Gesicht verlieren würde, wenn er für ein paar Stunden Unterkunft suchte. Unbeliebter als er ohnehin schon war, konnte er sich kaum machen, trotzdem entschied er dagegen. Stattdessen begab er sich zu einer leer stehenden Verkaufsbude, wo er, ein Dach über dem Kopf, auf einem Stuhl sitzend das Tor im Auge behielt.
            Den Blicken der Wachen ungeschützt ausgesetzt, zündete er sich eine Zigarre an und wartete verbissen auf eine Antwort auf seinen Brief. Sie sollte sehen, dass er ernst meinte, was er ihr geschrieben hatte. Und sie sollte sehen, dass er sich von ihren Drohungen nicht einschüchtern ließ.
            »Was nicht ganz stimmt«, brummte er vor sich hin und sog das beruhigende Aroma seiner letzten Zigarre auf. »Du kannst hier nicht ewig bleiben …, bis du alt und grau und bärtig bist …, aber versuchen musst du es. Wenn sie in ein paar Tagen nicht nachgibt, und falls du dann noch lebst, wirst du dich bei Jun Lien entschuldigen und gehen müssen. Inzwischen aber, liebe Schwiegermutter, rühre ich mich nicht von der Stelle.«
             
            Auch am nächsten Tag kam niemand auf ihn zu. Keine Menschenseele. Er war der Paria, den man anglotzte, über den man klatschte, dem man Essen verkaufte, auswich, wenn er sich unter die Leute mischte, den man nicht berührte. Den man nicht einmal anspie.
            Mal hatte sich nie viel aus Alkohol gemacht. Als Junge hatte er jahrelang auf der Straße gelebt und sich um seinen Vater gekümmert, einen Wanderarbeiter und Alkoholiker. Daher stand Alkohol nicht gerade ganz oben auf seiner Wunschliste, aber angesichts des bevorstehenden langen Nachmittags, den er damit verbringen würde, Ling Lu zu erweichen, kaufte er sich doch eine Flasche Bier, um seine Stimmung zu heben.
            Gelegentlich öffneten sich die Flügel des großen Tores, um jemanden hinein- oder herauszulassen, und unwillkürlich hoffte er jedes Mal, wenn er hörte, wie die Riegel zurückgeschoben wurden und die Scharniere quietschten, er wäre an der Reihe. Er machte ein Spiel daraus, nicht hinzusehen, sich nicht immer wieder der Enttäuschung auszusetzen, sondern einfach zu warten und ganz ruhig zu erscheinen.
            Daher schien der buddhistische Priester, der auf ihn zutrat, aus dem Nichts zu kommen. Mal saß noch immer an die Mauer gelehnt, neben einem Strebepfeiler, geschützt vor dem Wind, als der Priester sich verneigte und ihn auf Englisch ansprach.
            »Mr. Willoughby, mein Beileid zu dem traurigen Unglück, das über Sie und die Familie der verstorbenen Jun Lien gekommen ist.«
            »Ich gehöre auch zu ihrer Familie«, berichtigte Mal ihn freundlich.
            »Natürlich. Entschuldigen Sie vielmals. Ich hoffe, es geht Ihnen gut.«
            »Meinen Kopf habe ich noch.«
            »Ah ja. Ich habe von diesem Problem gehört und wünsche mir von Herzen, Sie würden sich mir anschließen, um für das Glück Ihrer verstorbenen Frau zu beten, und für Ihre eigene Gesundheit. Wenn Sie die Freundlichkeit haben wollen …«
            Mal sprang auf und stampfte mit den Füßen auf, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. »Danke«, sagte er und fragte sich, ob er die Bemerkung hinsichtlich seiner Gesundheit richtig verstanden

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