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Wind (German Edition)

Wind (German Edition)

Titel: Wind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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entlang, geriet dabei sogar mit einer Tatze darüber hinaus und trat Steine los. Als er hinter dem Käfig vorbeiging, in dem er gefangen gewesen war, verschwammen seine Streifen und verblassten dann. Auch der Kopf veränderte die Form: Er wurde erst weiß und dann dort, wo die Schnauze gewesen war, leuchtend gelb. Tim konnte ein lautes Knirschen hören, als formierten sich alle Knochen neu.
    Jenseits des Käfigs brüllte der Tyger ein weiteres Mal – nur wurde jetzt ein menschlicher Schrei daraus. Die sich wandelnde, verschwommene Gestalt richtete sich auf den Hinterläufen auf, und wo zuvor die Tatzen gewesen waren, sah Tim auf einmal alte, schwarze Stiefel. Die Krallen wurden zu silbernen Symbolen: Monde, Kreuze, Spiralen.
    Das gelbe Schädeldach des Tygers wuchs weiter in die Höhe, bis es der spitze Hut war, den Tim in dem Blecheimer gesehen hatte. Das Weiße darunter, wo der Brustlatz des Tygers gewesen war, verwandelte sich in einen weißen Bart, der in dem kalten, windigen Sonnenschein glitzerte. Er glitzerte, weil er voller Rubine, Smaragde, Saphire und Diamanten war.
    Dann war der Tyger verschwunden, und Maerlyn von dem Eld stand in Person vor dem staunenden Jungen.
    Er lächelte nicht, wie er es in Tims Vision getan hatte – aber das war natürlich nie seine Vision gewesen. Das war der Glammer des Zöllners gewesen, der ihn ins Verderben hatte locken sollen. Der wahre Maerlyn betrachtete Tim freundlich, aber auch ernst. Der Wind ließ sein weißes Seidengewand um einen Körper flattern, der dünn wie ein Skelett war.
    Tim ließ sich auf ein Knie nieder, senkte den Kopf und legte eine zitternde Faust an die Stirn. Er versuchte Heil, Maerlyn zu sagen, aber seine Stimme versagte, sodass er nur ein heiseres Krächzen herausbrachte.
    »Erhebe dich, Tim, Sohn von Jack«, sagte der Magier. »Aber schraub zuvor das Fläschchen zu. Es enthält noch ein paar Tropfen, die du gewisslich noch brauchen wirst.«
    Tim hob den Kopf und sah die hohe Gestalt neben dem Käfig, in dem sie gefangen gewesen war, fragend an.
    »Für deine Mutter«, sagte Maerlyn. »Für die Augen deiner Mutter.«

»Sprecht Ihr wahr?«, flüsterte Tim.
    »Wahr wie die Schildkröte, die die Welt trägt. Du hast einen weiten Weg zurückgelegt, große Tapferkeit bewiesen – und nicht wenig Dummheit gezeigt, aber davon wollen wir nicht reden, weil beides oft zusammengehört, vor allem bei unerfahrenen Jungen – und mich aus einer Gestalt befreit, in der ich viele, viele Jahre lang gefangen war. Dafür sollst du belohnt werden. Schraub jetzt das Fläschchen zu, und steh auf.«
    »Sage meinen Dank«, sagte Tim. Seine Hände zitterten, und seine Augen schwammen in Tränen, aber er schaffte es, das Fläschchen zuzuschrauben, ohne einen Tropfen zu verschütten. »Ich dachte, Ihr wärt der Wächter des Balkens, aber Daria hat mir gesagt, dass Ihr das nicht seid.«
    »Und wer ist Daria?«
    »Eine Gefangene wie Ihr. In einer kleinen Maschine eingesperrt, die die Sumpfleute im Fagonard mir geschenkt haben. Ich glaube, sie ist tot.«
    »Beileid zu deinem Verlust, mein Sohn.«
    »Sie war meine Freundin«, sagte Tim einfach.
    Maerlyn nickte. »Die Welt ist traurig, Tim Ross. Was mich betrifft, war es sein kleiner Scherz, mich in eine Raubkatze zu verwandeln, weil dies der Balken des Löwen ist. Jedoch nicht in Aslans Gestalt, denn das würde weitaus mehr Magie erfordern, als er welche besitzt … obwohl er sie gern besäße, aye. Um Aslan und alle anderen Wächter zu ermorden, damit die Balken zusammenbrechen.«
    »Der Zöllner«, flüsterte Tim.
    Maerlyn warf den Kopf in den Nacken und lachte schallend. Der spitze Hut blieb dabei auf seinem Kopf, was Tim sich nur mit Magie erklären konnte. »Nay, nay, der nicht. Ein bisschen Zauberei und langes Leben – das ist alles, wozu er imstande ist. Nein, Tim, es gibt jemand, der weit mächtiger ist als der mit dem weiten Mantel. Wenn der Große in seinem Reich auch nur mit dem Finger auf den mit dem wehenden Mantel zeigt, beeilt dieser sich, ihm zu Diensten zu sein. Aber du bist nicht auf Geheiß des Roten Königs hergeschickt worden, und ich bin mir sicher, dass derjenige, den du Zöllner nennst, für seine Narretei wird büßen müssen. Er ist zu wertvoll, als dass man ihn umbrächte, aber ihm Schmerzen zufügen, ihn bestrafen? Aye, das glaube ich wohl.«
    »Was wird er ihm antun? Dieser Rote König?«
    »Das willst du lieber nicht wissen, aber eines steht fest: In Tree wird man ihn nie mehr sehen. Seine Zeit als

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