Winter der Zärtlichkeit
denken. Als Witwer lebte Rance allein in dem Haus, das sein legendärer Vorfahre Rafe für seine Frau Emmeline und ihre gemeinsamen Kinder - zwei Töchter, die er größtenteils ignorierte - in den 1880ern gebaut hatte.
„Deine Behausung ist nicht mehr als ein schicker Sarg“, hatte Rance in seiner unverblümten Art bemerkt, als er sich in dem Wohnwagen umgesehen hatte. „Dabei ist Brody tot, Trav, nicht du.“
Travis rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen. Brody war tot, richtig. Das ließ sich nicht bestreiten. Mit seinen siebzehn Jahren hatten ihm alle Türen offen gestanden. Doch er hatte es vorgezogen, sich in einem Hinterzimmer in den Slums von Phoenix bei dem Versuch, Meth herzustellen, in die Luft zu jagen.
Sein Blick fiel auf das Fenster über der Spüle und sein eigenes Spiegelbild. Hastig drehte er sich weg.
Als sein Mobiltelefon läutete, hätte er am liebsten die Mailbox angehen lassen, doch das konnte er nicht. Wenn er in der Nacht rangegangen wäre, als Brody angerufen hatte ...
Also fischte er das Ding aus seiner Tasche, klappte es auf und sagte: „Reid.“
„Wie steht es mit ,Hallo“?“, fragte Meg.
Seine Mikrowelle klingelte. Travis griff nach seinem Abendessen, verbrannte sich die Finger und fluchte laut.
Sie lachte. „Das wird ja immer besser.“
„Ich bin nicht in der Stimmung für Scherze, Meg“, bemerkte er, während er mit seiner unverletzten Hand den Wasserhahn aufdrehte und die schmerzenden Finger darunter hielt. „Das bist du nie“, entgegnete sie.
„Den Pferden geht es gut.“
„Ich weiß. Sonst hättest du mich angerufen.“
„Was willst du dann?“
„Mann, Mann, haben wir aber gute Laune heute Abend. Ich rufe an, du alter Nörgler, um nach meiner Schwester und meinem Neffen zu fragen. Wie geht es ihnen? Wie sehen sie aus? Sierra ist so zurückhaltend, beinahe schon reserviert.“
„Das kannst du zweimal sagen.“
„Vielen Dank, aber das werde ich nicht tun. In der Kürze liegt die Würze.“
„Seit wann denn das?“, erkundigte sich Travis und lächelte endlich.
Wieder lachte Meg. Und einmal mehr wünschte Travis sich, er könnte sich in sie verlieben. Er hatte es versucht, beide hatten versucht, etwas zwischen ihnen in Gang zu bringen, nicht nur einmal. Dass Meg sich ein Kind wünschte und er nicht allein sein wollte, waren schließlich gute Voraussetzungen. Aber es hatte nicht funktioniert.
Der berühmte Funken fehlte.
Es gab keine Leidenschaft.
So würde es nie mehr zwischen ihnen geben als eine enge Freundschaft. Inzwischen hatte er sich größtenteils damit abgefunden, doch in den einsamen Momenten sehnte er sich nach etwas anderem.
„Erzähl mir von meiner Schwester“, verlangte Meg.
„Sie ist hübsch“, berichtete Travis. Richtig hübsch, korrigierte ihn eine innere Stimme. „Und sie ist stolz auf ihr Kind, aber geradezu überfürsorglich.“
„Liam hat Asthma“, sagte Meg leise. „Ich weiß von Sierra, dass er ein paarmal fast daran gestorben wäre.“
Travis vergaß seine verbrannten Finger, sein Hacksteak und seine persönlichen Sorgen. „Wie bitte?“, keuchte er.
„Das ist der einzige Grund, warum Sierra überhaupt bereit war, sich auf Mutter und mich einzulassen. Mutter, besser gesagt unsere Firma, bezahlt die medizinische Versorgung für Liam und sorgt dafür, dass er regelmäßig Termine bei einem Spezialisten in Flagstaff bekommt. Als Gegenleistung war Sierra damit einverstanden, ein Jahr auf der Ranch zu leben.“ Völlig reglos stand Travis da, während er die Worte auf sich wirken ließ. „Aber warum hier?“, fragte er dann. „Warum nicht bei dir und Eve in San Antonio?“
„Mutter und ich hätten uns sehr darüber gefreut“, gab Meg zu, „aber Sierra braucht... Distanz. Zeit, um sich an uns zu gewöhnen.“
„Zeit, um sich an zwei McKettrick-Frauen zu gewöhnen. Also sprechen wir vom Jahr 2050 plus minus einer Dekade?“
„Sehr witzig, Trav, Sierra ist selbst eine McKettrick, schon vergessen? Sie ist der Herausforderung gewachsen.“
„Sie ist definitiv eine McKettrick“, stimmte Travis ihr zu. Und noch definitiver eine Frau. „Wie hast du sie wiedergefunden?“
„Mom hatte sie und Hank schon aufgespürt, als Sierra noch klein war“, antwortete Meg.
Um die ganze Geschichte in Ruhe zu hören, ließ Travis sich auf sein ungemachtes Bett fallen. Das Laken muffelte langsam ein wenig, und jede Nacht kämpfte er mit den Pizzakrümeln, die in seinen Rücken piekten. Irgendwann dieser Tage
Weitere Kostenlose Bücher