Winter der Zärtlichkeit
Familie schon davon erfährt, wenn eine Hochzeit ansteht.“
„Doss hat seinen Eltern telegrafiert, und ich werde meinen bald schreiben ...“
„Ihr seid beide erwachsen und könnt tun und lassen, was ihr wollt“, sagte Jeb. „Liebst du Doss, Hannah?“
Sie wiederholte das, was sie schon Tobias auf diese Frage geantwortet hatte. „Er gehört zur Familie.“
„Er ist auch ein Mann. Ein junger Mann, der noch sein ganzes Leben vor sich hat. Er verdient eine Frau, die gern mit ihm verheiratet ist.“
Stolz hob Hannah das Kinn. „Vor ein paar Minuten hast du mir gesagt, dass Gabe damit einverstanden wäre. Dass Doss und ich heiraten, meine ich. Und vermutlich hast du recht.
Also habe ich es genauso sehr für ihn getan wie für sonst jemanden.“
„Es gibt nur einen einzigen Menschen, für den du so etwas tun solltest, Hannah, und zwar für dich selbst.“
„Tobias braucht Doss“, verteidigte sie sich.
„Das bezweifle ich nicht. Es war für uns alle hart, Gabe zu verlieren, aber für dich und Tobias war es am schwersten. Die Frage, die ich mir aber stelle, lautet: Brauchst du Doss, Hannah?“
Hannah brauchte einen neuen Ehemann, so viel stand fest, aber nicht auf eine Weise, die sie mit Jeb diskutieren wollte - oder überhaupt mit irgendjemandem auf dieser Welt. „Ich werde ihn glücklich machen, falls du dir darüber Sorgen machst.“ Als ihre Wangen auf einmal brannten, befürchtete sie, genau das zu verraten, was sie unbedingt zu verbergen versuchte.
„Er wird glücklich sein“, erklärte Jeb mit solcher Sicherheit, dass Hannah sich fragte, ob er mehr wusste als sie. „Und du?“
„Ich werde es lernen“, antwortete sie.
Da legte Jeb die Hände auf ihre Schultern, drückte sie leicht und küsste sie auf die Stirn. Dann verließ er ohne ein weiteres Wort das Zimmer und ließ Hannah allein zurück, verwirrt und traurig.
Ein paar Minuten später kam Doss in die Lobby. Er wirkte schüchtern wie ein Schuljunge. Offenbar hatte Jeb bereits mit ihm gesprochen und war jetzt bei Tobias.
Doss versuchte zu lächeln, was ihm nur kläglich gelang. Jetzt, wo sie tatsächlich verheiratet waren, wusste er offenbar nicht, was er sagen sollte. Hannah erging es nicht anders. Dabei hatten sie doch das Richtige getan.
„Wir sollten wohl zu Abend essen“, rang Doss sich endlich ab. „Tobias hat bereits gegessen. Das Zimmermädchen hat ihm etwas aus der Küche geholt, während wir ..."
Eindringlich sah Hannah auf ihre Schuhe. „Du verdienst jemanden, der dich liebt“, murmelte sie leise.
„Ich weiß nicht, ob deine Seele und dein Herz mich lieben, Hannah McKettrick“, erklärte er feierlich und ohne eine Spur von Arroganz, während er ihr Kinn hob und sie ansah, „aber dein Körper tut es. Und vielleicht wird er dem Rest von dir beibringen, genauso zu empfinden.“
Sie packte den Jackenaufschlag seines neuen Anzugs, den er nur für die Hochzeit gekauft hatte. „Gabe würde es wollen“, sagte sie. „Dass wir heiraten, meine ich.“
„Ich liebe meinen Bruder“, entgegnete er düster. „Aber ich möchte nicht über ihn sprechen. Nicht heute.“
Gemeinsam betraten sie den Speisesaal und bestellten gegrilltes Huhn. Für Hannah war es ein Ereignis, in einem Restaurant zu essen, fast so ungewöhnlich wie eine Hochzeit. Nach diesem langen und hektischen Tag war sie völlig ausgehungert, doch das Essen schmeckte wie Sägespäne.
Als sie gerade ihr Dessert herunterwürgten, gesellte sich Jeb zu ihnen. Schokoladenkuchen mit Puderzucker - normalerweise Hannahs Lieblingsnachtisch.
„Tobias wird die Nacht in dem Zimmer neben meinem verbringen. Ich habe bereits ein Zimmermädchen damit beauftragt, bei ihm zu bleiben“, erklärte er.
Hannah legte ihre Gabel weg, froh, nicht länger so tun zu müssen, als ob sie äße. Das war fast so anstrengend wie vorzutäuschen, glücklich zu sein, und beides würde sie schon gar nicht hinbekommen.
„Das ist wohl in Ordnung“, nickte sie zögerlich. Währenddessen sah Doss stumm auf seinen Teller. Er hatte nicht viel mehr als Hannah gegessen, aber wie sie eine beachtliche Darbietung abgegeben. Sich verbotenerweise auf der Ranch zu lieben war eine Sache, wie ihr nun klar wurde, verheiratet zu sein aber eine ganz andere. Ob er wegen der bevor stehenden Nacht genauso nervös war wie sie?
Nachdem Jeb den beiden noch einmal gratuliert hatte, ging er.
Die Teller wurden abgeräumt. Doss bezahlte die Rechnung. Und dann gab es nichts mehr zu tun, als nach oben zu gehen
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