Wintzenried: Roman (German Edition)
auf der Welt, heißt es darin. Wieder liest Madame de Boufflers ihn vor versammelter Runde im Hause Holbach vor. Und wieder bemerkt Holbach danach: Noch kennt er ihn nicht.
Vor fünfzehn Jahren, erzählt man sich dort rund um den Tisch, habe er hier auch noch ganz arglos gewirkt. Eine scheue Gestalt, fast unterwürfig, so erinnert man sich. Nahezu stumm, zumindest in der ersten Zeit, so lange jedenfalls, bis er wusste, wer welche Meinung vertritt. Ein Schweizer mit langsamem Singsang, der sich jeden Satz, den er sagte, genau zu überlegen schien und der sein Lächeln ungezwungen erscheinen lassen wollte, dabei aber immer mit einem kleinen Buckel herumschlich, den er hinter einem besonders aufrechten Gang zu verstecken versuchte. Jetzt, so heißt es, müsse der gute Hume das Gleiche mit ihm erleben und zuerst einmal allerlei Demutsanfälle und Liebesschwüre über sich ergehen lassen, bevor es dann bloß noch mit Heulkrämpfen und Hasstiraden weitergehe.
Holbach sagt immer nur: Wartet ab! Um das Thema abzuschließen, schüttelt er jedes Mal den Kopf darüber, dass man diesem Wahnsinnigen, der seine eigenen fünf Kinder ins Waisenhaus gesteckt hat, die Ehre angetan habe, seine lächerliche Erziehungsschrift verbieten zu lassen.
Damit Thérèse ihm endlich nachreisen kann, stellt DuPeyrou ihr in Neuchâtel seine Kutsche zur Verfügung. Bei eisigem Wind und wildem Schneetreiben geht es weit langsamer als üblich voran. Erst nach einem guten Dutzend Zwischenstationen erreicht man Paris, wo Thérèse sich wieder zu Hause fühlt, aber keinen einzigen Tag bleiben darf. Als sie dort auf die Kutsche nach Calais wartet, rennt plötzlich ein junger Mann auf sie zu und ruft: Sie haben sich überhaupt nicht verändert!
Es ist der rotschopfige Schotte James Boswell, der eines Tages in Môtiers aufgetaucht war und ihr aus Genf, wo er zum Leidwesen von Jean-Jacques meinte Voltaire besuchen zu müssen, ein sündhaft teures Granatcollier schickte, zusammen mit einem nicht sehr dezenten Brief, den Thérèse in tagelanger Arbeit entzifferte und von dem sie nicht wusste, ob er nur schmeichlerisch oder bereits schamlos war. Und jetzt kommt dieser junge Mann auf sie zugerannt und schreit: Madame, ich komme mit!
Der gute Hume hat das alles von langer Hand arrangiert. Boswells Bildungsreise durch halb Europa geht ihrem Ende entgegen, und der Höhepunkt sollte, wie er Thérèse beteuert, die Überfahrt mit ihr nach England sein. Längst weiß er, dass sie nicht nur die Haushälterin dieses Eigenbrötlers ist. Im Grunde könne sie jeder haben, hieß es in entsprechenden Kreisen, meistens könne sie es gar nicht erwarten. Boswells Bildungsreise bestand fast nur aus solchen Geschichten. Zwar hat er sich auch ein paar Ruinen angeschaut, doch sein Hauptaugenmerk galt der Gegenwart. Und deshalb kommt er, kaum dass die Koffer auf dem Dachständer sind und die beiden in der Kutsche sitzen, sofort zur Sache.
Auch Thérèse scheint nur auf so etwas gewartet zu haben. Dass sie sich zieren würde, kann man jedenfalls nicht sagen. Nur tritt sie, kaum dass er ihre Brüste aus dem Kleid befreit hat, dem bereits halbnackten James auf einmal derart gnadenlos mit dem Knie zwischen die Beine, dass er vor Schmerz nicht einmal schreien kann und so gut wie keine Luft mehr bekommt. Thérèse lacht, während er sich vor ihr krümmt, und sagt: Wenn du brav bist, geht’s heute Nacht weiter. Um Mitternacht erwarte sie ihn. Bis dahin dürfe er sie nicht mehr anfassen.
Nach dem Abendessen und einer Flasche Burgunder treibt Boswell Thérèse vor sich her die Treppen zu den Schlafkammern hinauf. Wieder scheint sie nichts dagegen zu haben. Auf dem Zimmer reißt er ihr die Kleider vom Leib, wirft sich auf sie, hechelt sofort wie ein Hund und krallt sich in ihr Fleisch, nur dass Thérèse wieder zu lachen anfängt und ihm befiehlt, auf der Stelle vor ihr niederzuknien. James hört nicht darauf, schließlich ist es bei ihm fast schon so weit, und es macht ihn nur umso wilder, dass dieser Leib, der da unter ihm liegt, kein bisschen nachgibt, was er noch nie erlebt hat, die ganzen zahllosen Male nicht, an die er sich in seinem kurzen Leben kaum noch im Einzelnen zu erinnern vermag. Niederknien jedenfalls musste er sich vor einer Frau noch nie, und wenn, nur im Spiel, was sich bei Thérèse aber nicht so anhört. Da er ihr nicht sofort gehorcht, krallt sie ihm ihre Finger ins Gesicht und drückt ihn zu Boden.
James zieht sich die Hose hoch und rennt wieder in die
Weitere Kostenlose Bücher