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Wintzenried: Roman (German Edition)

Wintzenried: Roman (German Edition)

Titel: Wintzenried: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Ott
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bin hier draußen der einzige Ehrenmann unter lauter Lumpen.
    Der Prinz schreibt zurück: Sie täuschen sich, wenn Sie hinter den Dummheiten der Bauern und Knechte etwas anderes als nur Dummheiten vermuten.
    Daraufhin schreibt Jean-Jacques nochmals an seinen Freund DuPeyrou nach Neuchâtel: Alle halten mich für blind, dabei bin ich der Einzige, dem nichts entgeht. Ich werde ihnen allen ihre Masken herunterreißen. Allen voran dem Prinzen.
    DuPeyrou macht sich sofort auf den Weg in die Picardie.
    Wenige Tage nach seiner Ankunft krümmt DuPeyrou sich vor Schmerzen und kann kaum noch gehen. Im Gesicht hat er rote Flecken, die Füße sind geschwollen und wollen kaum noch in die Schuhe passen, der Bauch fühlt sich an, als könnte er jederzeit platzen, die Hitze in seinem Leib scheint ihm die Luft abzuschnüren. Jean-Jacques diagnostiziert Gicht und verordnet ihm Kräutertees und selbstgemachte Tinkturen. Doch DuPeyrou geht es jeden Tag schlechter. Nach einer Woche holt man den Doktor, der den Verdacht äußert, dass Gift im Spiel ist. Jean-Jacques lässt seine Tinkturen und Kräutermischungen sofort verschwinden. DuPeyrou rührt von dem, was er ihm ans Bett bringt, nichts mehr an. Keinen Tee, keinen Apfel, kein gar nichts. Jean-Jacques verfasst ein Schreiben an Prinz Conti, in dem er ihm den Verlauf der Krankheit schildert, aber seine selbstgebrauten Mittelchen verschweigt. Nach einer langwierigen Rekonvaleszenz reist DuPeyrou wieder ab.
    Bald darauf stirbt der neue Verwalter. Und wieder geht das Gerücht um, Monsieur Renou habe ihn vergiftet. Erneut verfasst Jean-Jacques ein Memorandum für Prinz Conti, in dem es heißt: Seit seinem ersten Tag auf Schloss Trie hatte Ihr Verwalter nichts anderes zu tun, als zu klagen. Er redete von nichts anderem als davon, sich aus dem Fenster werfen oder aufhängen zu wollen. Ich ließ ihm zwei verschlossene und mit Stroh umflochtene Flaschen Burgunder zukommen, zusammen mit einem Glas selbstgemachter Berberitzenmarmelade, von der ich zwei besaß und eines für mich behielt. Obwohl ich ihm riet, von diesem Wein nur gelegentlich einen winzigen Schluck zur Stärkung zu trinken, goss er ihn in sich hinein wie andere Leute Wasser. Ich selbst habe ebenfalls davon getrunken und auch von meiner Berberitzenmarmelade gekostet und lebe immer noch.
    Noch am selben Tag packt Jean-Jacques seine Sachen, übergibt Thérèse der Obhut des dortigen Abts und besteigt eine Kutsche. Hat er eine neue Bleibe gefunden, wird er Thérèse wieder zu sich holen. Weil man ihn aus den größeren Städten sofort verscheuchen könnte, zieht er Richtung Savoyen.
    Noch eine knappe Tagesreise von Mama entfernt, mietet er sich zwischen Lyon und Grenoble in einer Herberge eines kleinen Dorfes ein. Dass Monsieur Renou noch einen anderen Namen besitzt, weiß man dort sofort. Der Gemeinderat ist stolz, einen so berühmten Mann bei sich begrüßen zu dürfen, und lädt ihn an Mariä Himmelfahrt als Ehrengast zum alljährlichen Gemeinderatsfestessen ein.
    Während Jean-Jacques inmitten der fröhlichen Runde sitzt, redet er so gut wie nichts, isst auch fast nichts und lacht bei keinem einzigen Witz. Als schließlich sein Tischnachbar zu ihm sagt: Ich habe all Ihre Werke gelesen, steht Jean-Jacques auf und weist ihn im Gehen zurecht: Kümmern Sie sich um Ihren Acker!
    Tags darauf klopft es an seiner Tür. Er kennt das Gesicht vom gestrigen Fest und schreit: Ich lasse mich nicht missbrauchen und habe Ihnen nichts zu sagen!
    An Thérèse schreibt er: Die Leute rotten sich hier gegen mich zusammen, weil ich nicht zur Messe gehe. Ständig wollen sie mich mit ihren Gefälligkeiten hereinlegen. Selbst die Anständigsten erweisen sich als Schurken. Nach Genf können wir aber nicht, weil dort Voltaire sitzt. Doch ich raube ihm den Schlaf, weil er spürt, dass ich in der Nähe bin. Du musst jetzt kommen. Gib Dich aber nicht mehr als meine Schwester aus, sondern als ferne Verwandte.
    Nachdem der Brief abgeschickt ist, schließt Jean-Jacques sich in seinem Zimmer ein und ritzt die Sätze in die Tür:
    Die Schweizer hassen mich für alles,
was sie mir Böses getan haben.
    Der Magistrat von Genf fühlt sein Unrecht und weiß,
dass ich ihm verzeihe,
    wenn er wagt, es wiedergutzumachen.
    Die Philosophen, denen ich die Maske heruntergerissen habe,
    wollen mich um jeden Preis vernichten.
    Weil sie meine Überlegenheit spüren,
    rächen sich die gewitzten Köpfe mit ihren Beleidigungen an mir.
    Das Volk, mein einstiges Idol, erblickt in mir nur

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