Wo der Elch begraben liegt
jemand angehalten hatte.
Frida näherte sich Gunnels Universum. Sie entschied sich, langsam zu fahren und zu winken. Nachdem sie in den Rückspiegel geschaut hatte, verlangsamte sie ihre Fahrt. Gleich als sie um die Biegung kam, sah sie den roten Wagen am Straßenrand. Ein roter Wagen! Ihr Herz schlug unfreiwillig schneller. Gunnel saß mit dem Rücken zur Straße auf dem Stein. Sie hatte Gesellschaft. Das hier ist auch meine Geschichte, dachte Frida. Wenn ich eine richtige Journalistin bin, halte ich an und frage, wer das ist. Das ist vielleicht nicht sonderlich höflich, doch sonst drücke ich mich vor der Verantwortung für meinen eigenen Artikel.
Sie parkte am Straßenrand, nahm Block und Kuli, stieg aus dem Wagen, überquerte die Straße und ging mit zögernden Schritten auf den Stein zu. Erst als sie schon fast da war, blickte Gunnel auf. Frida bemerkte, dass sie verweint und blass aussah. Neben ihr saß eine große, dünne, etwas gebeugte Frau mit einer schlaffen Dauerwelle, blondem Haar und grauer Steppjacke. Schon an ihrem Profil konnte Frida erkennen, dass ihre Haut solariumsgebräunt war, sie tiefe Falten hatte und eine Brille trug. Sie zog begierig an einer Zigarette, ihr rechtes Bein zuckte nervös. Die Frauen sprachen leise miteinander und hatten Frida bis jetzt noch gar nicht bemerkt. Schließlich räusperte sie sich und machte auf sich aufmerksam.
» Hallo Gunnel. Ich dachte, ich höre mal, wie’s so geht. Alles in Ordnung?«, sagte Frida und erwiderte Gunnels fragenden, benommenen Blick.
Gunnel blickte sie erstaunt an, brachte aber eine Art Nicken zustande.
» Frida Fors, Smålandsbladet«, sagte Frida und reichte der anderen Frau die Hand.
» Ich weiß«, erwiderte die Frau mit verrauchter Stimme. » Ich weiß sehr genau, wer Sie sind. Wir haben telefoniert. Ich bat sie, hierherzukommen. Das habe ich schon bereut. Ich bin Harriet Thuresson.«
Es war ein deutliches Klopfen. Besuch war so ungewöhnlich, dass Frida es zunächst gar nicht für möglich hielt, dass jemand an ihre Tür klopfte. Vermutlich ein Specht oder ein Knacken im Holz, oder vielleicht hatte auch Agnes den Webstuhl wieder hervorgeholt, wovon sie ja schon länger sprach. Doch es klopfte weiter. Es konnte nur an ihrer Tür sein. Ein schwaches Pfeifen war ebenfalls zu hören. Frida erkannte die Melodie wieder… » I love Europe«.
Sie lachte und erhob sich widerwillig von ihrem Computer. Danistand draußen und hatte die Hände in die Hüften gestemmt.
» Hast du was an den Ohren, oder wie?«, sagte er und kam herein, ohne eine Antwort abzuwarten.
» Ich wollte was schreiben, aber es geht nicht«, erwiderte Frida hilflos.
» Wieso geht es nicht? Hast du etwa auch noch Leim zwischen den Fingern?«
» Nein, ich wollte über den Verursacher des Unfalls in der Kurve schreiben. Doch jetzt hab ich das Gefühl, dass ich nicht schreiben kann, ohne einen Fehler zu begehen. Es kommt mir irgendwie unmoralisch vor.«
» Frag Åke«, schlug Dani vor und setzte sich auf das kleine Redaktionssofa. » Er scheint doch alles zu wissen.«
» Das werde ich tun«, sagte Frida und zog den Schreibtischstuhl heran, sodass sie ihm gegenübersitzen konnte. » Weißt du, was das Merkwürdigste war?«
» Woher soll ich das wissen?«
» Das Merkwürdigste war, dass Gunnel aufgrund der Neuigkeiten weder glücklich noch erleichtert schien. Es war, als wäre ihre Verzweiflung noch größer als vorher.«
» Vielleicht wurde sie traurig, als sie an den Unfall dachte.«
» Ich weiß nicht. Ich finde das merkwürdig. Wie kann es ihr schlechter gehen, nachdem sie endlich eine Antwort hat?«
» Frauen sind merkwürdig. Das hab ich die ganze Zeit gesagt«, erwiderte Dani.
» Das hast du doch gar nicht«, widersprach Frida.
» Ich bin eigentlich wegen Gunnel gekommen«, fuhr Dani fort. » Ich hab ihn gefunden, den anderen Sohn. Johan. Er wohnt mit einer Frau und zwei Kindern in Jakobsberg. Er hat drei Kinder gehabt, doch jetzt sind es nur noch zwei. Er ist schon seit ein paar Jahren krankgeschrieben, aber ich glaube, dass er nicht versichert ist und eigentlich arbeiten müsste. Die Frau heißt Rosita und scheint ein eigenes Geschäft zu betreiben. Die Kinder sind sechs und neun. Zwei Jungen, Hampus und Linus.«
» Hast du versucht anzurufen?«
» Anrufen? Du spinnst ja. Was sollte ich da sagen? Außerdem haben die keinen Festnetzanschluss, und er hat kein Handy. Sie hat eins, aber er nicht.«
» Tatsächlich? Das ist ja ungewöhnlich.«
» Sie plagen
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