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Wo der Elch begraben liegt

Wo der Elch begraben liegt

Titel: Wo der Elch begraben liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Hjulstroem
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zusammen eine After-Work-Party besuchten und wie er die hübschesten zu Wein und Cocktails einlud. Bestimmt nahm er auch eine von ihnen mit nach Hause. Ganz bestimmt. Und hier lag sie unter einer Steppdecke im Niemandsland und fror. Sie spürte, wie furchtbar müde sie von allen Eindrücken war– den neuen Menschen und der neuen Umgebung.
    Mats’ Wegbeschreibung war gut gewesen. Sie hatte sich einmal verfahren, war aber rechtzeitig am Versammlungshaus angekommen. Es lag viel näher, als sie geglaubt hatte. Sie wusste nicht, ob sie bis zum Beginn des Treffens draußen im Wagen warten oder hineingehen und sich vorstellen sollte. Normalerweise hatte sie keine Probleme, sich auf dem gesellschaftlichen Parkett zu bewegen, doch hier war sie sich wirklich wie eine Zugereiste vorgekommen. In diesem Moment hatte sie den roten Lippenstift und den modisch zerfetzten Jeansrock bereut.
    Der Versammlungsraum war spärlich besucht gewesen. Zwei Frauen, die Kaffee und Kuchen verteilten, hatten sie erwartungsvoll gefragt, ob sie diesmal auf die erste Seite kämen, und Frida hatte mitgespielt und mit einem » Vielleicht« geantwortet.
    Die Tagesordnung selbst war sterbenslangweilig gewesen, abgesehen vielleicht von der Erwähnung des größer werdenden Wildschweinbestands. An dieser Stelle war die Diskussion etwas lebhafter geworden, doch ansonsten war man sich bei allen Fragen geradezu rührend einig, dass die Politiker in Stockholm nichts von der Politik in dünn besiedelten Gebieten verstanden und dass sowieso schon alles zu spät war.
    Sämtliche Äußerungen waren von dem grundsätzlichen Gefühl durchdrungen, dass man die Bewohner hier bekämpfte, übervorteilte oder schlichtweg vergaß. Doch immerhin hatte Frida recht deutlich verstanden, wer hier im Ort tonangebend war. Der Tierarzt, Anders Skogby, hatte am meisten geredet. Handelte es sich nicht gerade um neue EU-Beiträge, so war es um Unternehmensförderung und Strukturwandel gegangen. Frida war sich dumm vorgekommen, weil sie nicht alles begriff, was er sagte, doch immerhin verstand sie, dass er es, obwohl er lange Zeit von hoffnungslosen Regelwerken und trägen Kommunalpolitikern behindert worden war, geschafft hatte, einen größeren Betrieb aufzubauen.
    Eine der für den Kaffee zuständigen Frauen hatte sich neben Frida geschlichen und geflüstert: »Ihn müssen Sie interviewen. Er hat seine Tierarztpraxis direkt außerhalb der Ortschaft. Ist politisch sehr aktiv. War schon in allen Parteien und entscheidet sich für das, was ihm am meisten nützt. Jetzt gerade gehört er zu den Konservativen.«
    Eine mollige Frau um die fünfundfünfzig hatte sich bei den meisten Fragen ebenfalls Gehör verschafft. Die Kaffeefrau flüsterte: »Das ist Eiwor Svantesson. Sie ist überall dabei. Wohnt in dem gelben Backsteinhaus direkt am Anfang der Hauptstraße. Bis zu seiner Auflösung hat sie den Chor geleitet. Die wird bestimmt nie von hier wegziehen. Sie und Skogby kommen nicht so gut miteinander klar.«
    » Wieso das?«, hatte Frida flüsternd gefragt.
    » Ach, wie das anfing, weiß keiner mehr genau«, hatte die Kaffeefrau erwidert. » Sie sind halt bei allen Dingen uneins.«
    Frida zog die Steppdecke fester um sich und kratzte mit dem Fingernagel kräftig an dem festgeklebten Pinselhaar. Es wollte sich noch immer nicht lösen. Sie entschied sich, den Artikel an der Wildschweindiskussion aufzuhängen. Das war zumindest verständlich und ein bisschen interessant. Es gab Rehe, und es gab Wildschweine; vielleicht gab es da draußen sogar Wölfe? Darüber könnte sie etwas schreiben, an einem anderen Tag.
    Sie erwachte von einem Summen im Ohr. Das Handy vibrierte. Es war früh. Am anderen Ende der Leitung war Cilla. Sie klang aufgeregt. Irgendetwas war passiert– was genau, war unklar–, und irgendjemand brauchte eine Wohnung. Wieso ruft sie mich in meinem Wattekokon an?, dachte Frida in halb schlafendem Zustand.
    Nach und nach fand sie heraus, dass Cillas große Schwester Jeanette gestern in ihrem Büro in Stockholm einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte und nun einen Ort zum Wohnen in Göteborg brauchte.
    » Kann sie denn nicht zu Hause bei euren Eltern wohnen?«, fragte Frida.
    » Du hast ja keine Ahnung. Es ist doch deren Fehler, dass sie sich jetzt so schlecht fühlt«, erwiderte Cilla. » Das geht nicht. Ich dachte an deine Wohnung. Die steht doch leer, oder?«
    » Die brauche ich an den Wochenenden, wenn ich nach Hause fahre.«
    » Aber es ist doch nur für kurze Zeit.

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