Wo die Wahrheit ruht
meiner Karriere erleben müssen, um anzunehmen, meine Familie sei dagegen gefeit.”
“Was wirst du tun?”, fragte Denise.
“Mir bleibt keine andere Wahl, als mit Lucy zu reden. Wenn das Gespräch so verläuft, wie ich hoffe, werden wir mit Phase zwei beginnen.”
“Wir?” Denise blickte zu Grace hinüber, die noch kein Wort gesagt hatte.
“Um Stevens Mörder zu finden, brauche ich eure Hilfe.”
“Du willst, dass ich dir in dem Mordfall
ermitteln
helfe?”
Matt lächelte. “Das wäre übertrieben. Worum ich dich bitte, ist, dass du versuchst, dich an so viele Einzelheiten wie möglich aus Stevens Privatleben zu erinnern – seine Gewohnheiten, Hobbys, wie er seine Freizeit verbracht hat, solche Dinge.”
“Er hatte nicht viele Hobbys. Er verreiste gern ins Ausland, liebte schicke Restaurants, besuchte Vernissagen und Kunstmessen. Gelegentlich spielte er eine Runde Golf mit seinen Kumpeln vom Planungsausschuss, aber das war's dann auch schon.”
“Ist dir je etwas Ungewöhnliches aufgefallen?”
Ihre anfängliche Begeisterung schien sich erschöpft zu haben. “Ich bin keine gute Beobachterin, Matt.”
“Versuch dich zu erinnern, Denise. Es ist wichtig.”
Eine ganze Weile blieb sie still. Dann, als Grace die Hoffnung schon aufgeben wollte, sagte sie: “Es gibt tatsächlich etwas, das mir bei Steven ein bisschen komisch vorkam, und das war seine plötzliche Freundschaft mit Bernie Buckman. Als ich ihn danach gefragt habe, hat er nur erwidert, dass Bernie ein guter Kerl sei und dass er gern Zeit mit ihm verbringen würde. Es gab keinen Grund, ihm nicht zu glauben.” Sie fegte ein paar Krümel von der Theke. “Jetzt jedoch, da ein kaltblütiger Killer versucht, Bernie umzubringen, bin ich mir nicht mehr so sicher.”
“Der Mann, der den Gewürzladen gegenüber von der Galerie betreibt, hat erzählt, dass Bernie ein paar Tage die Woche für Steven gearbeitet hat.”
“Das stimmt. Er hatte angefangen, sich für Kunst zu interessieren, und Steven hat sich manchmal an den Wochenenden von ihm vertreten lassen.”
“Wann genau habt ihr beide was miteinander angefangen?”
Grace konnte Denise ansehen, dass ihr die Frage unangenehm war. Trotzdem antwortete sie ohne Umschweife: “Vor acht, vielleicht neun Monaten.”
“Er muss dir in all der Zeit viel über sich erzählt haben.”
“Nicht wirklich. Ich habe ihm eigentlich viel mehr von mir erzählt als umgekehrt.” Sie warf ihm einen kurzen, fast schuldbewussten Blick zu. “Ich habe ihm von Felicia erzählt.”
“Du hast ihm vom Verschwinden deiner Schwester erzählt?”
Sie nickte, mied jedoch seinen Blick. “Es schien ihn zu interessieren, also habe ich ihm erzählt, dass meine Familie und ich nie wirklich zufrieden mit den polizeilichen Ermittlungen waren. Tut mir leid, Matt”, sagte sie und schaute auf. “Ich weiß, dein Vater sagt, er hat alles angestellt, um sie zu finden. Dennoch sind wir das Gefühl nie losgeworden, dass er mehr hätte tun können. Und falls du dich jetzt fragst, ob ich das hinter seinem Rücken gesagt habe, solltest du wissen, mit Fred habe ich darüber genauso diskutiert – sehr oft sogar. Er weiß, wie ich dazu stehe.”
Grace blickte zu Matt hinüber und hoffte, wenigstens einen winzigen Funken Verständnis in seiner Miene zu entdecken, doch er zeigte keine Regung. Er gab sich weiter ganz sachlich. “Du sagst, Steven schien sich für das Verschwinden deiner Schwester zu interessieren?”
“Vielleicht ist
interessieren
nicht das richtige Wort dafür. Er war mitfühlend und verständnisvoll. Dann, ein paar Wochen später, hat er plötzlich angefangen, mir Fragen über den Fall zu stellen. Ich war überglücklich, nach all der Zeit endlich mit jemandem darüber sprechen zu können, und habe ihm alles erzählt, was er wissen wollte – mit welchen Jungen Felicia zusammen gewesen war, die Umstände der Trennungen, die weiträumige Suche nach ihr, die Zeugenaussagen, alles, was mir einfiel. So ausführlich von Felicia zu erzählen, tat ein wenig weh, aber auf eine bestimmte Art war es auch heilsam für mich.”
“Hast du ihn gefragt, warum er sich so plötzlich dafür interessierte?”
“Habe ich. Doch er hat nur abgewiegelt und behauptet, er sei einfach neugierig.”
“Steven war tatsächlich ein neugieriger Mensch”, warf Grace ein. “Sogar mehr als neugierig. Er hatte die Angewohnheit, seine Nase in die Angelegenheiten anderer Leute zu stecken, was ihm häufig Scherereien eintrug. In dieser
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