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Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Titel: Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Levi
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Herzschlag beschleunigte sich, meine Aufregung spiegelte sich, mehr als mir lieb war, in meiner Stimme wider. Ich versuchte meine Gefühle zu verbergen. Mir stand der Vorwurf der Sünde wieder einmal auf die Stirn geschrieben. Dieses Schuldgefühl hatte die meisten von uns jahrelang gepackt und irgendwohin geschleppt oder im Gegenteil irgendwo gehemmt. Dabei liebte ich das Unschuldige an dieser Erregung. Auch ihre Stimme zitterte leicht. Dieses Zittern verstärkte noch mein innerliches Zittern. Woher kam dieses Zittern, welches Gefühl erweckte es eigentlich? … Ich flüchtete mich wieder einmal in den Gedanken, daß die Ereignisse die Antwort schon bringen würden. Dabei erwartete meine Geschichte, unsere Geschichte, von mir eine andere Antwort … Ich zog es vor, von einem sicheren Ort aus anzufangen und langsam meinen Weg zu machen. Nach meiner Schätzung lag unser Ziel in einer Entfernung von zwanzig bis fünfundzwanzig Minuten Fußweg. Das war genügend Zeit, um die Tür zu dem von mir gesuchten Gespräch zu öffnen. Eine ausreichende Zeitspanne, um auf dem Weg, den wir gingen, einander unsere inneren Wege zumindest fühlen zu lassen …
    »Ich habe mich sehr gefreut, daß du sofort akzeptiert hast, bei dem Spiel mitzumachen. Danke … Wenn ich daran denke, bin ich ganz begeistert.«
    Es war nicht sehr schwer, sie für das Thema zu gewinnen. Vielleicht hatte sie so einen Einstieg auch erwartet.
    »Eigentlich muß ich dir danken … Wenn du nicht daran gedacht hättest, wären wir vielleicht nie wieder zusammengekommen …«
    Sie hatte recht. Wir alle hatten uns längst in unseren eigenen Ländern hinter unsere Grenzen zurückgezogen. Wir hatten auch geglaubt, wir könnten ohne einander unsere Leben fortsetzen. Doch hatte ich es wirklich richtig gemacht? … Die Frage tauchte erneut vor mir auf. Es gab so viele Möglichkeiten, die sich auf das bezogen, was ich erleben konnte … Ich versuchte dieses Mal meine Gefühle so gut wie möglich auszudrücken. Diese Offenheit war nicht unangenehm.
    »Vielleicht … Ganz sicher wollte ich für mein Leben eine neue Farbe finden. Doch ich weiß nicht, was uns diese Farbe bringt …«
    Sie hängte sich noch enger bei mir ein. Ich war mir sicher, sie verstand, was ich sagen wollte, wohin diese Worte führen konnten, beziehungsweise in welche Richtung sie eigentlich zielten. Sie ließ mich nicht ohne Antwort. Doch sie schien unsere Erlebnisse lieber etwas aus der Ferne zu betrachten, tatsächlich ließ sie mich mit meinen Sorgen nicht allein, sondern teilte sie.
    »Wir alle brauchen diese Farbe. Sag, was du willst … Was du auch tust, das Leben wird nach einer Weile immer monotoner … Die Ehe, die Arbeit, die gesellschaftlichen Veranstaltungen … Der Mensch sucht nach neuen Aufregungen. Dann … Dann denkst du daran, daß deine Zeit begrenzt ist, ich weiß nicht …«
    Diese Worte konnte ich deuten, wie ich wollte. Einerseits waren es banale Sätze, geeignet, um Pausen auszufüllen, anders gesehen versuchten sie gewisse gefangengehaltene Gefühle, vielleicht auch heimliche Erwartungen auszudrücken, ja, sie konnten einem sogar sehr aufreizend vorkommen … Um das herauszufinden, hätte ich mich ein wenig weiter vorwagen müssen. Doch ich beschloß, meine möglichen Deutungen wieder im Schweigen zu vergraben. Wollte ich in einem Traum weiterlaufen? … Vielleicht. Ich fragte nicht weiter nach. Zudem zog in diesem Moment ein anderes Detail, dem gegenüber ich nicht gleichgültig bleiben konnte, meine Aufmerksamkeit auf sich. Wir gingen am Kordon, an der Uferstraße, entlang. Jenes ferne Bild, das trotzdem in meinem Gedächtnis nicht gelöscht war, zog noch einmal durch meinen Geist. Meine Erinnerungen zeigten mir aufs neue Spuren einer Geschichte …
    »Hier war es einmal sehr schön … An der Küste erstreckte sich einmal ein schmaler Fahrstreifen … Das Muster der Steine sehe ich noch vor mir …«
    Hatte sie diese Eindrücke ebenfalls bewahrt? … Ich konnte natürlich nicht wissen, an was oder wen sie in dem Moment dachte. Ich sah, wie sie meine Worte mit Kopfnicken bestätigte. Dann schaute sie sich um. Als wollte sie dieselben Orte sehen wie ich. Auch sie hatte etwas zu erzählen.
    »Zwischendurch war es sehr schlimm. Jetzt ist es wieder gut. Die alte Atmosphäre ist zwar dahin, doch …«
    Städte veränderten sich wie wir auch … Dieses Gefühl kannte ich, und zwar sehr gut. Doch ich wollte lieber schweigen. Langsam fingen mich solche Gespräche zu langweilen an

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