Wolf inside (German Edition)
dieser Wolf mich betrachtete. Mit Augen, die für einen Moment … fast menschlich aussahen .
*
Ich kochte gerade Kaffee, als Jerry mit seinem Wolf in der Küche auftauchte. Der Kaffee roch längst nicht so gut wie der von letzter Nacht. Im Büro hatte ich auch schon angerufen und Rosie erklärt, dass ich heute nicht erscheinen würde.
Wortlos deutete ich auf den Tisch. Jerry setzte sich, Vulto legte sich neben ihn, den schweren Kopf auf den Pfoten. Ich musterte den Jungen. Die Verletzungen im Gesicht waren fast verschwunden. Das war seltsam. So blaue Flecken brauchten mindestens eine Woche, um zu einem hübsch-hässlichen Gelb zu verblassen. Nicht eine Nacht, um zu verschwinden. Auch die Schramme, die sein niedliches Gesicht gestern noch verunzierte, war weg. Er trug die gleichen Klamotten wie am Abend.
„ Kaffee?“ Ich holte eine weitere Tasse aus dem Schrank. Sie passte nicht zu meiner, keine passte hier zu der anderen. Mich störte es nicht. Jerry anscheinend auch nicht, er nickte nur.
Für den Wolf stellte ich eine Schüssel mit Wasser hin. Und eine mit einem Rest Pizza. Ich hatte auch noch Curry, mit Huhn, aber da war schon ein grüner Pelz drauf. Doch noch ignorierte er die Schüssel, also ignorierte ich den Wolf.
„ Auch was essen?“ Ich kramte in meinem Schrank. Gab nur nicht viel her. Meistens ging ich an die Ecke, zu Mo. Oder Rosie hatte mir was ins Büro mitgebracht. Sie backte unvergleichliche Brötchen. Ich liebte sie, die Brötchen. Und Rosie, ein wenig. Rosie, meine Sekretärin, hätte meine Mutter sein können. Ihre Tochter lebte nicht mehr, deswegen bemutterte sie mich ein wenig. Ihr Enkel war ein Fall für sich. Hin und wieder durfte er kleine Aufträge für mich erledigen.
Während ich den Kaffee in die Tassen verteilte, wollte ich endlich Fakten.
„ Also. Ich will jetzt Ihre Geschichte hören. Was soll ich für Sie machen?“
„ Bitte, können Sie mich duzen? Ich bin erst siebzehn. Niemand sagt ‚Sie’ zu mir. Sagen Sie einfach Sa… Jerry.“
„ Okay, Jerry. Nenn mich Shane. Hätten wir nun alles geklärt? Also, noch mal. Was willst du von mir?“
„ Das ist jetzt etwas kompliziert.“ Jerry holte etwas aus seiner Hosentasche und schob es mir zu. Es war ein kleines Schmuckstück, ein Medaillon.
„ Das hier gehörte wahrscheinlich meiner Mutter. Ich kenne sie nicht. Mein Vater hat mir erzählt, sie sei gestorben, im Ausland. Als ich noch ein Baby war. Niemand weiß angeblich, wo. Es gibt kein Grab. Jedenfalls keines, das ich kenne. Nun ist jemand aufgetaucht, der behauptet, sie lebt noch. Doch ich … ich glaube das nicht.“ Seine Stimme fing leicht an zu zittern, er stockte. Dann sah er mich an, mit großen grasgrünen Augen schielte er unter seinen langen Haaren hervor.
Shit, dachte ich nur. Diesen verwaschenen Dackelblick kannte ich doch. Der würde doch nicht ...?
Oh Oh. Es sah ganz so aus. Angriff der Tränendrüsen!
„ Komm Kleiner, reiß dich zusammen. Wieso glaubst du nicht, dass deine Mom noch lebt?“
„ Sie hat … sie hat mir nie geschrieben, zu keinem meiner Geburtstage, nicht zu Weihnachten. Nichts!“ Wieder fixierten mich seine grünen Kuller. „Hätte deine Mutter das getan?“ Autsch, getroffen und versenkt. Meine Mom hätte Nachrichten mit ihrem Blut geschrieben.
„ Und weiter? Ich soll den Beweis finden, dass sie nicht mehr lebt, richtig?“ Ich ignorierte tapfer den feuchten Dackelblick.
„ Ja. Ich muss wissen, was mit ihr war. Ob … Ob sie wirklich gestorben ist.“ Den letzten Satz flüsterte er, schien deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben.
Ich trank erst einmal einen großen Schluck Kaffee. Und dachte nach. Auf den ersten Blick sah es nach einer ganz normalen Geschichte aus. Und auf den Zweiten?
Kleines Kind hat Mutter verloren, im Ausland.
Im Ausland? Was machte eine Mutter alleine in der Fremde. Ohne ihr Kind? Meine Mutter fiel mir ein. Die hätte sich eher die Hände abhacken lassen, als ohne mich irgendwo hinzufahren. Sie wäre nicht einmal ohne mich zu Tante Daisy in den Nachbarort gefahren. Geschweige denn ins Ausland gereist.
Es sei denn … Es sei denn, Junior wäre in großer Gefahr gewesen. Und sie hätte damit wen auch immer auf eine falsche Fährte locken können. Das würde die fehlenden Glückwünsche erklären.
„ Was machte deine Mutter im Ausland. Ohne dich?“
Interessant. Er warf einen schnellen Blick zum Wolf herüber. Glaubte er, der hätte eine Antwort parat?
„ Ich weiß es nicht. Mein Vater hat es
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