Wolfsfieber
verletzt wie Istvan in diesem Moment. Mit aller Kraft,
die mir die Leidenschaft und die Wut nun verliehen, schlug
ich mit der flachen Hand auf seine Wange. Ich verpasste ihm
vor Enttäuschung eine Ohrfeige und zornige Tränen spran-
gen in meine Augen, als ich sah, dass mein Schlag seinen
Kopf zur Seite befördert hatte. Den körperlichen Schmerz
fühlte er vermutlich kaum, aber er sollte sich genauso elend
fühlen wie ich. Ich drehte mich um und wollte davonlaufen.
Doch ich tat es nicht. Tränen rannen jetzt mein Gesicht hi-
nunter. Wie konnte die Stimmung zwischen uns so schnell
umkippen? Ich konnte jetzt nicht aufgeben, auch wenn er
mich zutiefst gekränkt hatte. Jetzt oder nie.
Ich ging zurück zu ihm. Er lehnte noch immer schuld-
bewusst gegen die Wand, regungslos. Ich stellte mich ihm
nochmals gegenüber, diesmal abnorm dicht, sah ihm fest in
die Augen, durch einen Tränenfilm hindurch. Ich ergriff sei-
ne Hand, diese glühende Hand, und presste sie gegen meine
Brust, genau über meinem Herz. Mit angegriffener Stimme
schrie ich ihn an:
„Fühlst du das? Das bin ich. Deswegen habe ich dich ge-
küsst. Nur deswegen. Das hatte nichts mit meiner Rettung
zu tun. Das ist keine Dankbarkeit. Ich hätte dich auch ge-
küsst, wenn es anders gewesen wäre. Ich wollte dich schon
küssen, seit ich in der Küche zum ersten Mal deine Hand in
meiner hielt. Du behauptest, meinen Herzschlag so genau zu
kennen, wie kannst du das dann nicht hören? Fühlst du das
nicht?“, fragt ich nochmals verzweifelt und aufgelöst.
Mein Herz hämmerte unter Istvans zarten Fingern. Es
war unmöglich, dieses Pochen nicht wahrzunehmen. Er sah
mich traurig an. Seine Augen waren jetzt ein grüner, verlasse-
ner Wald, tief und unergründlich. Ich ließ seine Hand wieder
fallen und wollte, noch immer verletzt und wütend, gehen, da
192
packte er mich zugleich an Schulter und Hüfte. Mit einem
einzigen Schwung war ich wieder in seinen Armen, dicht an
seinen Körper gepresst lehnte auch ich jetzt mit einer Schul-
ter gegen die Wand. Dann stürzte er sich auf mich. Er press-
te mich gegen die Wand, so heftig, dass ich sein Verlangen
nur mit einem Kuss abmildern konnte. Dieses Mal schien
Istvan derjenige ohne Atem zu sein. Seine Wärme war über-
all auf mir. Seine Hüften pressten sich gegen mein Becken
und drängten so dicht wie möglich an meinen Körper he-
ran. Meine Finger fuhren seinen langen, schmalen Rücken
hinunter und erkundeten die warme Haut unter dem grü-
nen T-Shirt. Seine Brust wärmte die meine so sehr, dass ich
fürchtete, einen Hitzschlag zu bekommen. Wir küssten uns
wieder und wieder, ohne aufhören zu können. Seine Hän-
de fuhren meine Arme entlang und meine ertasteten seinen
Hals und wühlten durch die Haare seines Hinterkopfs. Als
er meine Hüften mit seinen Armen umschloss, wagte ich es
endlich, meine Lippen zu bewegen. Der sinnliche Druck sei-
ner Küsse wurde damit noch intensiver. Als uns beiden die
Luft ausging, ruhten wir uns, schwer atmend, an die Stirn
des anderen gelehnt aus. Er hielt jetzt mein ganzes, schweres
Haar in meinem Nacken zusammen und fuhr mit der Nase
meinen Scheitel entlang, ganz sanft. Ich umarmte ihn und
vergrub mein Gesicht in seiner Brust. Ich war, zum ersten
Mal in meinem Leben, vollkommen glücklich und erschöpft
zur gleichen Zeit.
193
11. Unerwarteter Besuch
Feurige Küsse. Istvans Küsse aus Feuer schienen endlos. Als
er dann doch von mir abließ und sich von mir entfernte, hatte
ich das Gefühl, von meinem eigenen Körper getrennt zu wer-
den. Schließlich waren wir so sehr ineinander verschlungen,
dass es mir schwerfiel zu sehen, wo ich aufhörte und er anfing.
Ich bekam sofort diese unerklärliche Befürchtung, er könne
jetzt wieder alles zurücknehmen oder gar bedauern, was zwi-
schen uns passiert war. Mein Herz änderte seinen Rhythmus
von einem wild rasenden Erregungspuls zu dumpfen, harten
Stressschlägen. Er bemerkte, hörte es sofort und fragte mich:
„Was ist mit dir? Geht es dir gut?“
Seine grünen Augen fixierten mich und ließen keine Se-
kunde von mir ab. Seinen heißen Arm hatte er mir über die
Schulter gelegt. Wir saßen mittlerweile auf dem Rand des
Bettes.
„Ja, es geht mir gut, keine Sorge. Es ist nur, ich … ich
dachte, du könntest es dir wieder anders überlegen. So wie
vorhin“, gestand ich ihm kleinlaut.
Es fiel mir schwer, konzentriert zu sprechen. Alles drehte
sich noch immer und
Weitere Kostenlose Bücher