Wolfsmagie (German Edition)
ferne Brandung des Loch Ness.
»Das war echt bizarr.« Kris schloss die Tür und drehte sich um.
Liam spähte aus dem Fenster, vor dem der Nebel waberte. »Bizarrer als du denkst, mein Mädchen.«
»Was könnte bizarrer sein, als dass mein Bruder, den ich seit sieben Jahren nicht gesehen habe, in Schottland auftaucht, obwohl kaum jemand weiß, dass ich hier bin?«
Liams Blick glitt zu ihr. »Das war es, was ich meinte.«
Kris lächelte, wenn auch nicht sehr überzeugend.
»Womit verdient dein Bruder seinen Lebensunterhalt?«, fragte er. Kris breitete die Hände aus. »Du weißt es nicht?«
»Ich habe seit meinem achtzehnten Lebensjahr nichts mehr von ihm gehört.«
»Mmm«, murmelte er. »Er behauptet, er hätte sich zu deinem Schutz von dir ferngehalten. Was die Frage aufwirft, wovor er dich schützen will, besonders wenn man bedenkt, dass dort draußen jemand ist, der es auf dich abgesehen hat.«
Es waren so viele Dinge geschehen, so viele gesagt worden, dass Kris diesen Aspekt völlig vergessen hatte. Dabei war es das Detail, das sie unbedingt im Kopf behalten sollte.
»Was hat er am College studiert?«
»Wirtschaftswissenschaften.« Kris runzelte die Stirn. »Oder Psychologie? Englisch?«
»Ich schließe daraus, dass eure Familie sich nicht sehr nahe steht?«
»Früher schon.« Kris hätte es gern dabei belassen, aber sie konnte nicht. »Bis meine Mutter gestorben ist.«
»Oje.« Liam berührte ihr Haar auf diese spezielle Weise, mit der er fast, aber nicht ganz jeden Kummer zu vertreiben vermochte. »Das tut mir sehr leid.«
»Schnee von gestern.« Doch das war es nicht und würde es auch nie wirklich sein. »Danach konnten Marty und mein Vater es kaum erwarten, von mir wegzukommen.«
Liams wirkte sehr ernst. »Vielleicht gar nicht so sehr von dir, als vielmehr von dem Ort, wo sie deine Mutter noch immer sahen, auch wenn sie nicht mehr da war.«
»Wie auch immer«, grummelte Kris. »Sie sind gegangen und nicht zurückgekommen.«
»Bis heute Nacht«, wandte Liam ein. »Also hast du deinem Bruder nicht erzählt, wo du bist?«
»Ich habe meinem Bruder seit Jahren nichts mehr erzählt. Selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte ich nicht gewusst, wie ich mit ihm Kontakt aufnehmen soll.«
Liam zog die Brauen hoch, gab jedoch keinen Kommentar dazu ab. »Wer weiß , dass du hier bist?«
Edward, aber Kris bezweifelte, dass Marty mit ihm gesprochen hatte. Oder, falls doch, dass der alte Mann ihm irgendetwas verraten hätte.
»Lola«, sagte sie. »Meine Zimmergenossin.«
»Er könnte also mit ihr geredet haben.«
Kris schüttelte den Kopf und setzte sich auf den Stuhl, den ihr Bruder geräumt hatte. »Ich habe mich erkundigt. Keine Anrufe. Keine Besucher.«
»Vielleicht hat er sich erst nach deiner Rückfrage bei ihr gemeldet. Wann hast du zuletzt von ihr gehört?«
Kris rechnete nach. Das war vor mehreren Tagen gewesen, aber …
»Ich habe sie gefragt, weil hier im Dorf ein Mann nach mir gefragt hat. Hochgewachsen, helle Strähnen …« Kris schnippte mit den Fingern. »Er trug eine Red-Sox-Kappe. Ich hätte es wissen müssen.«
»Dein Bruder steht auf die Red Sox?«
»Er hasst sie.«
Verwirrung breitete sich über Liams Züge. »Wieso hättest du es dann wissen müssen?«
»Um das zu verstehen, muss man Marty kennen«, erwiderte Kris. »Er hat die Red Sox schon immer verabscheut. Er hasst sie, wie die meisten Menschen die Yankees hassen. Wenn er mich nicht wissen lassen wollte, dass er hier ist, welche bessere Tarnung hätte es geben können als eine Red-Sox-Kappe?«
Offensichtlich verstand Liam nicht, wie das Hirn ihres Bruders tickte – Kris war überrascht, dass sie es noch immer verstand –, doch er beließ es dabei. »Warum sollte er dich nicht wissen lassen wollen, dass er hier ist?«
»Ja, warum?« Kris betrachtete nachdenklich die Tür, durch die ihr Bruder verschwunden war.
»Vielleicht wollte er sich gar nicht vor dir verstecken …« Er kniff nachdenklich die Brauen zusammen.
»Sondern?«
»Vor demjenigen, vor dem er dich zu schützen versucht. Traust du ihm zu, dass er in etwas Illegales verwickelt sein könnte?«
»Er könnte in alles Mögliche verwickelt sein.«
Liam runzelte noch stärker die Stirn. Dann merkte er, dass Kris ihn beobachtete, und zwang sich zu einem Lächeln, das keinen Deut froher wirkte als das, das Kris sich abgerungen hatte. »Wenigstens mutet seine Frage nach deinem Glück jetzt nicht mehr ganz so absurd an.«
»Wie meinst du das?«
»Er ist
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