Wolfsmondnacht (German Edition)
tun.«
»Nichts mit mir?«
»Ich küsse nur jemanden, den ich liebe.« Das war nicht ganz die Wahrheit, doch wie sollte er seine Fangzähne vor ihr verbergen? Er würde es bedauern, sie töten zu müssen.
»Du liebst mich nicht?«
Er wurde mit einem Mal ernst. »Wie könnte ich Euch lieben, da ich Euch erst vor wenigen Stunden kennengelernt habe?« In Pamina hatte er sich damals relativ schnell verliebt, doch geschah auch dies nicht über Nacht.
»Aber um mit mir ins Bett zu gehen und …« Ihre Worte gingen unter in einem Schluchzen. »Dazu war ich gut genug, doch nicht, um mich zu lieben!«
Sie ergriff ein Kissen und warf es nach ihm. Es prallte wirkungslos von ihm ab.
»Schuft!« Voller Wut nahm sie ein zweites Kissen. Es landete auf dem Boden neben ihm. Jean-François erhob sich vom Bett. Carina sprang auf und stieß dabei ihren Weinkelch um. Der Wein ergoss sich auf dem Boden, doch die Pfirsichscheiben blieben im Kelch zurück. Carina griff nach einem Wasserkrug.
»Mistkerl!« Wo Jean-François sich wenige Sekunden zuvor noch befunden hatte, zerbarst das irdene Gefäß.
Wie konnte ein Weib, das nicht dumm war, derart gedankenlos reagieren? Niemals hatte er von Liebe gesprochen. Kein Wort über eine dauerhafte Beziehung war gefallen.
»Caterina, bitte …«.
Sie ergriff eine Vase. »Carina! Ich heiße Carina! Nicht einmal meinen Namen habt Ihr Euch gemerkt, Ihr … Ihr Scheusal!«
Wenigstens duzte sie ihn jetzt nicht mehr.
»Oh, m on dieu . Woher habt Ihr derartige Worte?«
Carina warf die Vase. Er duckte sich gerade rechtzeitig, sodass sie dicht über ihn hinweg flog. Die Vase zerbarst an der Wand. Splitter und Wasser stoben zu allen Seiten. Geknickte Blumen lagen am Boden. Sterbend.
»Warum gerate ich immer wieder an solche Männer?« Sie griff nach dem Obstmesser und warf es nach ihm, verfehlte ihn jedoch, zumal er zur Seite hechtete.
»Wenn Ihr Euch vielleicht nicht jedem sofort an den Hals …«
Sie schrie etwas, doch er verstand ihre Worte nicht. Carina griff nach dem brennenden Kerzenständer. Die Flammen zuckten. Das war eindeutig zu viel. Jean-François umfasste ihr Handgelenk.
»Bist du verrückt?«, fragte er.
Tränen liefen über ihre Wangen. »Ich bin dir gleichgültig, nicht wahr?«
»Das würde ich so nicht sagen.«
»Aber ich bedeute dir nicht wirklich etwas.«
»Du willst die Wahrheit haben?«
Sie nickte. Jean-François sah, wie sie schwer schluckte.
» Non. « Er blies die Kerzenflammen aus. Sie rußten stark, wie die meisten aus Rinderschmierfett. Carina ließ den Kerzenständer fallen. Die Kerzen zerbrachen. Flüssiges Fett troff auf den Boden. Carina sank nieder auf das Bett und schlug ihre Hände vors Gesicht.
»Carina«, sagte er leise und streckte seine Hand nach ihr aus, doch sie wich vor ihm zurück.
»Geh!« Ihre Stimme war tränenerstickt. Jean-François hob seine überall verstreut liegende Kleidung auf und zog sie hastig an.
»Carina.« Er richtete den Glaskelch, in dem sich noch Pfirsichscheiben befanden, wieder auf und goss Wein nach. »Kostet man die Frucht zu früh, besitzt sie des Weines Aroma noch nicht. Der Wein seinerseits bleibt herb und man schüttet ihn weg. Alles braucht seine Zeit.«
Carina sah ihn verständnislos an. »Ihr liebt mich nicht. Niemand liebt mich. Meine tote Mutter nicht, mein Vater nicht. Er überließ mich Gouvernanten und war niemals für mich da. Immer war ich allein.«
»Wir kennen uns kaum, Mademoiselle, daher ist es befremdlich für mich, dass Ihr Eure triste Vergangenheit vor mir ausbreitet. Weder habe ich Euch falsche Versprechen noch Hoffnungen gemacht.« Er erhob sich. »Danke für diese Nacht, Mademoiselle Carina. Ich werde sie nicht vergessen. Au revoir .«
Sie antwortete nicht. Jean-François hörte nur ihr leises Weinen, das ihn begleitete, bis er die Haustür hinter sich schloss. Obwohl er wusste, dass sie ihn angelogen hatte, als sie von Liebe sprach, fühlte er sich wie ein Schuft. Warum musste immer alles im Desaster enden? Doch wenn er es recht überlegte, war es kein Desaster.
Carina lebte noch.
Eine Nacht später
»Ich nehme das Geisterhaus unter einer Bedingung.« Jean-François beugte sich leicht über Signor Bertolos Schreibtisch.
»Und die wäre?«, fragte Signor Bertolo.
»Die halbe Miete.«
Signor Bertolo schüttelte den Kopf. »Das ist unmöglich.«
Jean-François erhob sich.
»Signor, so wartet doch. Lasst uns darüber sprechen.«
»Was gibt es noch zu reden?«
»Es gibt keinen Geist.
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