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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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finden und ihn so vor der Rückkehr in eine Anstalt zu retten.
     »Wir wissen, dass |238| Sie Kinder aus staatlichen Einrichtungen normalerweise nicht aufnehmen, aber wir bitten Sie, bei diesem Kind eine Ausnahme
     zu machen«, schrieben sie. Es war ein kühner Versuch, aber Wanjas einzige Hoffnung.
    Der Abend war ein voller Erfolg. Die Gäste dinierten an einer langen, vornehmen Tafel unter funkelnden Kronleuchtern und umgeben
     von gewaltigen Porträts früherer britischer Außenminister. Beim anschließenden Kaffee im Weißgoldzimmer genossen alle die
     Aussicht über den Fluss auf die goldenen Kuppeln der Kreml-Kathedrale. Maria war begeistert von dem Abend, und bei der Verabschiedung
     übergab Sarah ihr den Brief mit den Worten: »Ich habe eine Bitte an Sie. Lesen Sie den Brief, wenn Sie zu Hause sind.«
    Als Sarah am nächsten Morgen aufstand, hatte Maria ihr bereits eine Antwort per E-Mail geschickt. Sie dankte ihr für das Vertrauen.
     Wanjas Fall, schrieb sie, würde eine »Lawine an ähnlichen Aktionen lostreten, die uns alle verändern wird«. Sie versprach,
     alles zu tun, was in ihrer Macht stand, um Wanja zu helfen. Doch das bedeutete, bürokratische Hürden zu nehmen, mit denen
     sie bislang nicht in Berührung gekommen war. Sie würde schnell handeln müssen, bevor es für eine Rettung zu spät war.

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    |239| 19.
DER VOGEL IM KÄFIG
    Juni bis Juli 1998
    Es war ein heißer Sommertag Ende Juni. Alle Kinder aus Gruppe 6 waren draußen im Garten – alle bis auf Wanja und Julia. Man
     hatte die beiden nicht mit hinausgenommen, da sie nicht ohne fremde Hilfe laufen konnten und damit zu viele Umstände machten.
     An die frische Luft kamen sie daher nur, wenn Sarah und ihre Tochter Catherine oder Wikas Freundinnen Alla und Olja zu Besuch
     kamen oder an den Sonntagen, wenn Julias Großmutter Lucy kam und ihnen vorlas, während sie im Sandkasten spielten.
    Wanja erzählte Julia gerade von all den Dingen, die er in Sarahs und Alans Wohnung gesehen und erlebt hatte. Da war ein Hund
     gewesen, vor dem er anfangs große Angst hatte. Sarah erklärte ihm, dass der Hund auf der Straße gelebt hatte, dass die Menschen
     sehr böse zu ihm gewesen waren und dass er darum mehr Angst vor Wanja hatte als Wanja vor ihm. Also war er ganz tapfer und
     versuchte, still sitzen zu bleiben, wenn der Hund ihn beschnüffelte. So wurden sie Freunde, und der Hund begann, ihn abzuschlecken.
     Doch jedes Mal, wenn Wanja den Staubsauger anschaltete, den er so liebte, erschrak der Hund, rannte aus dem Zimmer und versteckte
     sich unter Catherines Bett.
    Es gab so viel zu entdecken in einer Wohnung: einen Schrank voller Werkzeug zum Beispiel, und er durfte die Schubladen aufmachen
     und die Nägel und Schrauben heraussuchen; eine Schachtel mit Vorhängeschlössern, und er durfte die Schlüssel abziehen und
     üben, sie zurück ins Schloss zu stecken und aufzuschließen; ein Karton mit Weihnachtsdekoration, |240| vollgepackt mit den glänzendsten Dingen. An Papa Joras Geburtstag hatte er Mama Lindas Haar mit Lametta schmücken dürfen.
     Sie hatte einen großen Kuchen gekauft, und zusammen mit Sarah, Alan und Catherine saßen sie beieinander und tranken Tee. Auch
     Nellie schaute vorbei. Sie war Russin, aber sie konnte auch Englisch. Das Büro der Zeitung war auch aufregend. Wanja erklärte
     Julia, dass Alan ein Journalist war. Journalisten telefonierten den ganzen Tag oder schrieben am Computer. Nellie hatte auch
     einen Computer. Er sah aus wie ein Fernseher, aber er hatte eine Maus. Keine richtige Maus, wie die, die im Garten von den
     Katzen gefangen wurden. Diese Maus war wie ein Spielzeugauto. Man bewegte sie mit der Hand hin und her. Er durfte bei Nellie
     auf dem Schoß sitzen und damit spielen.
    »Ich wünschte, wir könnten jetzt gleich dorthin gehen«, sagte Julia. »Hier ist es so langweilig.«
    »Ich muss warten, bis Mama Linda zurückkommt. Sie hat gesagt, sie muss nach England, um mein Zimmer einzurichten. Und wenn
     sie fertig ist, kommt sie zurück und holt mich. Jetzt, Julia, musst du mich fragen, wie mein Zimmer aussehen wird.«
    »Erzähl mir, Wanja, wie wird dein Zimmer aussehen?«, fragte Julia pflichtgemäß. Sie spielten dieses Spiel jeden Tag.
    »Also, als Erstes ist da ein Bett. Ein richtiges, wie Catherine eins hat, kein Gitterbett mit Stäben. Ein Bett, aus dem du
     rauskannst, wann immer du willst. Du musst nicht warten, bis dich jemand drüberhebt. Und auf dem Bett liegen ein Kissen und
     eine Decke

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