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Wolkengaenger

Titel: Wolkengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Philps , John Lahutsky
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Frau mit den Bananen.
    »Nein, der nächste Halt.«
    Der Bus verließ das Dorf und wand sich eine von Unkraut und brachliegenden Feldern gesäumte Straße entlang. Hinter einer Kurve
     tat sich ein Tal auf, und auf der anderen Seite des Tals wurde ein monströser Schandfleck in der Landschaft sichtbar, ein
     gigantischer Komplex aus sechsstöckigen Gebäuden. Wika war sofort klar, dass dieser bedrohliche, kasernenartige Bau das Internat
     sein musste, und sie fragte sich, wie sie Wanja dort nur ausfindig machen sollte. Dann entdeckte sie einen Kirchturm aus Backstein
     hinter den Häuserblocks. Wenn es dort eine Kirche gab, dachte Wika im Stillen, dann war es am Ende vielleicht doch kein so
     schrecklicher Ort.
    Der Bus hielt an, und sie stieg, gefolgt von dem Mann mit der Shampooflasche, die Stufen hinunter.
    »Gehen Sie auch in das Internat?«, fragte sie ihn.
    »Nein. Aber ich kann Ihnen den Weg dorthin sagen: über die Straße, durch das Feld, und dann sehen Sie schon das Schild.« Er
     wandte sich in die andere Richtung und ging davon. Der Bus fuhr an, und Wika blieb allein zurück. Entschlossenen Schrittes
     machte sie sich auf den Weg durch das Feld, wobei ihr das Gras angenehm um die Beine strich. Sie überlegte, Wanja für ein
     Picknick mit nach draußen zu nehmen. Sie hatte ein paar Kekse sowie mehrere Äpfel und Gurken dabei.
    Der Weg führte weiter durch ein Birkenwäldchen, und durch die schlanken, silbernen Stämme konnte Wika sehen, dass die sechsstöckigen
     Gebäude durch erhöhte Gehwege miteinander verbunden waren. Sie näherte sich dem Tor und verlangsamte ihren Schritt. Von hier
     hatte sie einen guten Blick auf die riesige rote Backsteinkirche, die inmitten des |92| Komplexes stand. Der Mut verließ sie, als sie bemerkte, in welch verwahrlostem Zustand Kirche und Turm waren: Es existierten
     weder ein Dach noch Fensterscheiben, und die Ziegelsteine waren über die Jahrzehnte von Regen und Frost geschwärzt. Aus dem
     Kirchturm wuchsen Zweige. Die Natur forderte ihr Terrain zurück. Zu Wikas Überraschung war das Tor zum Grundstück der Anstalt
     nicht verschlossen, und so betrat sie es einfach.
    Unschlüssig, in welche Richtung sie sich wenden sollte, blieb sie stehen. Einen Haupteingang gab es offensichtlich nicht.
     Auch wusste sie nicht, was sie erwarten würde – vermutlich etwas in der Art des Babyhauses: alle Kinder unter Aufsicht und
     weggesperrt. Doch die erwachsenen Insassen schienen hier abgestellt, um allein zurechtzukommen. Sie sah eine Frau mit kahlrasiertem
     Schädel und nur mit einem Unterhemd bekleidet, die verzweifelt versuchte, einem Mann zu helfen, der nicht ohne Hilfe laufen
     konnte. Seinen Kopf von links nach rechts werfend, zog er ein buntes Stück Plastik, das an einer Schnur festgebunden war,
     hinter sich her. Immer wieder sackte er zusammen und fiel auf die Erde. Die Frau beugte sich zu ihm hinunter, um ihm wieder
     aufzuhelfen, schimpfte mit ihm und sah sich nach Hilfe um, wobei ihr flehender Blick an Wika hängen blieb. Wika stand da wie
     festgewurzelt. Sie hatte drei Frauen, ebenfalls mit rasierten Schädeln, entdeckt, die auf sie zukamen. Es waren Erwachsene,
     doch sie waren klein wie Zwölfjährige. Eine von ihnen trug eine zugeknöpfte Strickjacke, an der ein Knopf fehlte, und Wika
     konnte sehen, dass sie keine Unterwäsche trug. Mit ausgestreckten Armen steuerten die Frauen auf Wika zu, befühlten ihre Haare
     und ihre Kleidung und murmelten unentwegt unverständliches Zeug. Die wenigen Zähne, die sie noch hatten, waren verfault.
    Im Hintergrund stand, an eine Wand gelehnt, der größte Mann, den Wika je gesehen hatte. Seine Lippen bewegten sich, und er
     brabbelte vor sich hin, während seine Hände unentwegt zuckten. Er trug ein Pyjamaoberteil, und seine Hose wurde mittels eines
     Stücks Stoff gehalten, das um seine Hüfte |93| gebunden war. Immer mehr von diesen seltsamen Menschen scharten sich um Wika. Sie geriet in Panik. Gerade legte ihr eine Frau
     einen Arm um die Taille und stellte sich auf die Zehenspitzen, um sie zu küssen.
    Wika war kurz davor, sich umzudrehen und wegzulaufen, da hörte sie eine Männerstimme rufen: »Lasst sie in Ruhe.« Die Frauen
     stoben auseinander, und ein Teenager in schlecht sitzenden, schmutzigen Kleidern trat auf Wika zu. »Suchen Sie jemanden?«
    »Ich möchte Wanja Pastuchow besuchen.«
    Der junge Mann sah sie fragend an.
    »Er ist sechs Jahre alt«, fuhr sie fort. »Er kam vor zwei Monaten hierher.«
    Er dachte

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